Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Kiel, A.:6
Digitale Edition: Carl Louis Bargheer, Fiedellieder plus. Eine digitale Edition, hrsg. v. Joachim Veit, Version 1.1, Detmold 2013 [→ Handschriftliche Dokumente → Sonstige Institutionen → *1856-10-08 August Kiel an Louis Spohr in Kassel, Detmold, 8. Oktober 1856]

Hochgeehrtester Herr Generalmusikdirektor!
 
Ew. Hochwohlgeboren bitte ich um Verzeihung, daß ich erst jetzt die Lieder zurücksende. Der Fürst ließ sich nach seiner Zurückkunft von der Reise die Lieder erst kopiren was sich bis vorgestern verzögert hatte. Dem Fürsten haben die letzten Lieder wo möglich noch besser gefallen als die ersteren und hat eine große Freude an diesen Compositionen, so wie Alle die sie hören; sie sind aber auch himmlisch schön. Der Fürst läßt Ihnen nochmals seinen wärmsten Dank sagen, und wünscht daß der Druck dieser Lieder eifrig betrieben werden möge, damit er in Stand gesetzt wird, Ihnen auch auf andere Weise seine Freude zu erkennen zu geben. Der Fürst hat den Brief gelesen, worin Sie schrieben, daß Sie bei Übersendung der Lieder einige Zeilen an ihn richten wollten, worüber er sehr erfreut war. Das von Ihrer Hand geschriebene Heft wünscht der Fürst wieder zu erhalten. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß der Notenstecher nicht besonders säuberlich damit umginge; allein trotzdem möchte er es wieder haben. Wir sind jetzt beim Einstudiren der Lisztschen Symphonischen Dichtungen. Ich weiß bei Gott nicht, was ich bei diesen Ausgeburten einer hirnverbrannten Phantasie sagen soll. Hektor Berlioz erscheint mir nach diesen gräßlichen musikalischen Dichtungen als ein Mozart an Klarheit. Wo soll das noch hinaus? Es ist nicht möglich noch mehr des Unsinns und der Verworrenheit zu erfinden. Tempobezeichnungen wie: Allegro con fuoco C 6/4 = 2 x 3/4 sind gar nichts seltenes und natürlich nur darum angebracht um den Musikern Sand in die Augen zu werfen. Für das Orchester sind diese Sachen in einer Art recht gut; da auch das schwerste was wir bis jetzt in dieser Art gehabt haben, hingegen wahre Kinderei ist. Wenn ich nach einer solchen Probe aus dem Saale komme, so bin ich dem Blödsinn nahe. Gott bessere es. Auf dem Schlosse singen wir jetzt Schumanns „Paradies und Peri“. Es sind in diesem Werke einige wirklich schöne Sachen.
 
Ew. Hochwohlgeboren
ganz gehorsamster und dankbarster
AugKiel
 
Detmold d 8ten Octbr. 1856.

Autor(en): Kiel, August
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Berlioz, Hector
Leopold III. Lippe-Detmold, Fürst
Liszt, Franz
Erwähnte Kompositionen: Schumann, Robert : Das Paradies und die Peri
Spohr, Louis : Lieder, Bar Vl Kl, op. 156
Erwähnte Orte: Detmold
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Detmold>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856100838

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Kiel, 29.08.1856. Spohr beantwortete diesen Brief am 31.12.1856.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.07.2016).