Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeb.
dem Herrn Hofkapellmeister Dr. L. Spohr,
Ritter pp
in
Cassel.


Copenhagen d. 12ten Märts 1846.

Hochgeehrtester Herr!

Für Ew. Wohlgeb. freundliche Zuschrift vom 19ten f.M.1 und für die mir durch dieselbe ertheilte Erlaubniß, Ihnen meine Sonate dedicieren zu dürfen, bringe ich Ihnen meinen ergebensten Dank. - Obgleich reingedruckte Exemplare davon mir noch nicht selbst zugekommen sind, hat mir Hr. Schuberth versprochen, Ihnen von Hamburg in meinem Nahmen ein Dedications-Exemplar zu2 übersenden, und ich erlaube mir darum, dasselbe mit diesen Zeilen zubegleiten. Sollten sich noch kleine Stichfehler darin vorfinden, dann ist es nicht meine Schuld, denn es ist wahrscheinlich, daß Hr. Schuberth mein letztes Korrectur worin zwar nur Kleinigkeiten zu emendieren3 waren, nicht abgewartet hat. - Das 4händige Arrangement der Ouverture zu Hakon Jarl erlaube ich mir beizulegen, und nehme mir noch die Freiheit den Trauermarsch zu Thorvaldsens Beerdingung, nebst zwei neulich mit deutschem Text erscheinenen Liedern hinzuzufügen; das erste davon wird Ihnen vielleicht durch Rudolph Willmers‘s Transcription davon bekannt sein.4 Ich brauche kaum hinzuzufügen, wie hoch ich es schätzen würde, wenn Sie gelegentlich die Güte haben mögten, mir Ihre Meinung über diese Sachen mitzutheilen.
Vielleich würde es Sie interessiren zu erfahren, daß wir vorigen Winter Ihr herrliches Oratorium „die letzten Dinge“ im hiesigen Musikverein mit dem entschiedensten Beifall aufgeführt haben. Ich habe die Einstudierung davon geleitet, und ich glaube, daß die Ausführung eine sehr günstige zu nennen war. Ganz besonders hat sich der Solo-Tenor Hr. Hansen durch seinen innigen und schönen Vortrag ausgezeichnet; und wir hatten alle unsere wahre Freude an Ihr herrliches Werk, und den vollkommen günstigen Erfolg, den es beim Publico hatte. Auch Ihre schöne Simphonie die Weihe der Töne, ist zu wiederholten Malen, und stets mit gesteigertem Beifall aufgeführt worden. Im letzten diesjährigen Simphonie Concert des Vereins bringen wir zum ersten Mal Ihre 5te Simphonie in C zu Aufführung.
Obgleic Ew. Wohlgeb. meine Frau ganz unbekannt ist, kann ich doch nicht umhin, Ihnen einen Gruß von Ihr zu bringen. - Meine Frau hat den entschiedensten Sinn für gute Musik, also auch für die Ihrige, und Sie werden kaum eine aufrichtigere Verehrerin haben, als sie es ist. Vor zwei Jahren machten wir zusammen eine Reise zum Rostocker Musikfest5, und ich kann behaupten, daß ein besonderer Zweck dieser Reise die Hoffnung war, Sie dort zu treffen. - Der Wunsch, einen längeren Ausflug nach Deutschland zu machen und dann Cassel zu besuchen, beschäftigt uns sehr oft; aber wir haben jetzt schon sieben Kinder zu erziehen, und dieses macht natürlich eine längere Reise, besonders für die Frau, sehr beschwerlich.
Ihrer verehrten Frau Gemahlin empfehle ich mich ergebenst, und danke im Voraus für die Mühe, die Sie sich mit der Einstudierung meiner Sonate geben will, so wie ich mich auch darüber freue, diesselbe unter so ausgezeichneten Händen zu wissen.
Leben Sie recht wohl, hochverehrtester Herr, und gedenken Sie mitunter Ihres, mit der vollkommensten Hochachtung ergebensten

J.P.E.Hartmann



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Hartmann, 19.02.1846. Spohr beantwortete diesen Brief am 01.05.1846.

[1] Sic!

[2] „zu“ unter der Zeile eingefügt.

[3] emendieren = verbessern (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 168).

[4] Demnach „Flieg, Vogel flieg“ (vgl. „Dur und Moll“, in: Signale für die musikalische Welt 7 (1849), S. 205f., hier S. 206-208). Willmers bearbeitete das Lied als Konzertstück für Klavier und Orchester (vgl. Rez. „R. Willmers: Concertstücke. Grande Fantaisie pastorale sur une canzonette danoise pour Pianoforte avec Orchestra. Op. 16“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 48 (1846), Sp. 629f.).

[5] Das 4. Norddeutsche Musikfest in Rostock, 14.-18.07.1843 (vgl. „Das vierte norddeutsche Musikfest“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 45 (1843), Sp. 483f.; „Feuilleton“, in: ebd., Sp. 619).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.11.2017).