Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Rostock d. 1sten July 1835.

Hochverehrter Herr Kapellmeister!

Wir sehr mich Ihr verehrtes Schreiben erfreute können Sie sich nur denken, wenn ich Ihnen sage daß ich eben bei dessen Empfang mit einem Schreiben an Sie beschäftigt war. Ich war nehmlich in Selbigen so frei Sie zu bitten mich mit einer Handschrift von Ihnen in Noten und einigen Zeilen unsrer gewöhnlichen deutschen Schrift zu erfreuen, ich konnte diesem seit Jahren gehegten Wunsche um so gewisser entgegen sehen, da mein vieljähriger Freund der Herr Secretair Rüdinger in seinem Briefe an mich stets Ihre Güte und Menschenliebe erwähnt. Jetzt nun da ich so glücklich bin Ihnen meinen kleinen Dienst zu erzeugen, habe ich die beste Gelegenheit meine innigste Bitte zu wiewiederholen1, mit der theuersten Versicherung, das meine Hochachtung und Verehrung für Sie nur mit unserm Leben enden wird.
Da ich so glücklich bin, von der lieben guten Frau Staatsräthin von Nissen2 mehrere Handschriften und besonderer theurer Andenken von unseren großen unsterblichen Mozart zu besitzen3, (ich korrespondire auch fortwährend mit dieser herrlichen Frau) so wie mit meinem hochverehrten Freund, den Herrn Kapellmeister Ritter von Seyfried, von welchem ich seine eigenen Handschriften, sein Portrait, und mehrere schätzenswerthe Werke erhielt, ihn den Edlen habe ich Handschriften, von die Verewigten, und ewig Lebenden Haydn und Beethoven zu verdanken, so wie ich Handschriften von dem, leider zu früh von uns betrauerten C.M. v. Weber, von dessen Wittwe erhalten4, und mehrere mir theure und unschätzbare Andenken von berühmten Meistern der Tonkunst besitze. Wie sollte es nun nicht mein sehnlichster Wunsch sein auch von Ihnen mein Hochverehrter Herr Kapellmeister ein Andenken zu besitzen? Von Ihnen, dem jetzt lebenden größten Meister der Tonkunst dessen unübertreffliche Werke bei jedesmaliger Aufführung derselben mein Herz stets mit Wonne und Entzücken erfüllen, und mein Auge oft zu Thränen der innigsten Wehmuth bewegen, und selbst dem Laien zum Entzücken und Bewunderung hinreißen? mir wird das Herz erquickt und erlabt, besonders wenn mann nach Anhörung der jetzt leider zur Manir gewordenen geschmacklosen Klingklang, Ohrenbetäubender und Nervenzerreißender Machwerken, eines Ihrer Meisterwerke hört, mann fühlt gleichsam nach einem der heißesten schwülen gewitterschweren Sonntage, einen sanften kühlen Abend welcher daß aufgeregte Gemüth beruhigt, und das Herz zur Andacht erbebt.
Doch, ich sehe so eben daß ich nur wiederhole was tausende ihm gesagt und geschrieben haben nur kann ich nicht unterlassen den Diamant zu erwähnen welchen Sie neuerdings Ihrer Krone beigefügt haben, ich meine die große herrliche Sinfonie über: Die Weihe der Töne: und welche der Herr Kapellmeister Seyfried so würdig und nach Verdienst einstudirt hat5, ein Meisterstück doch zu groß, erhaben und Prachtvoll ist um darüber sich durch Worte aussprechen zu können. Nun studiren wir dies glänzende Werke durchaus fleißig ein um zu einem Concert zum Besten der hiesigen Armen unter der Leitung des Herrn Musikdirektor Weber aufzuführen.
Auch mit Ihren übrigen herrlichen und schätzenswerthen Werke, was Sinfonien, Ouverturen, Quartetten etc. betrifft, welche wir sämtlich besitzen, gedenken wir das hiesige Publicum recht erst durch öffentliche Aufführungen, und Gottlob ergeben sich sehr viele unter den hiesigen Einwohnern welche Gefühl für die wahre Kunst haben. Auch habe ich nebst dem Herrn Musikdirektor Weber mit wahrer Freude und Entzücken Ihr Meisterhaftes Oratoriums „Die letzten Dinge“ durch öffentliche Aufführung in Wismar mit beygewohnt, um so mehr freuen wir uns im voraus, und erwarten mit großer Sehnsucht Ihr neu angekündigtes Oratorium6 zu hören. Leider haben wir noch nicht das Glück gehabt Ihre Prachtvollen und berühmten Opern im Ganzen zu hören, da es beym hiesigen Theater an Mitteln fehlt selbes aufzuführen, wir entschädigen uns einigermaßen dadurch daß wir das Vergnügen haben in unseren Abonnement-Concerte jeden Winter einzelnes daraus aufzuführen.
Da ich in Gemeinschaft mit meinem Freunde dem Herrn Musikdirektor Weber alles was Musik betrifft unternehme, so haben wir auch gemeinschaftlich die Subscriptions-Einladung besorgt, die Zahl der Unterschriebenen beträgt 18. Sie werden die Güte haben mir diese Achtzehn Exemplare zu senden. Das Geld erfolgt so bald ich diese abgeliefert habe.
Auch habe ich in einem Schreiben von dem Herrn Pastor Massmann, Director des Gesangvereins in Wismar den Auftrag Ihren seine Hochachtung und Verehrung für Sie zu melden.
Folgendes sind seine eigenen Worte:
„Melden Sie dem freundlichen Mann namens unsers Gesangvereins daß die Mitglieder desselben mit der größten Dankbarkeit sein Anerbieten hinsichtlich der Partitur zu seinem neuesten Werk annehmen, und sich glücklich schätzen würden, wenn sie so bald als möglich zu dem Besitze derselben gelangten. Ich ersuche Sie diese Worte so bald als möglich dem Herrn Kapellmeister jedenfalls vorzutragen, auch wenn ich selbst nicht den Muth haben solte mein Herz voll Liebe und Bewunderung vor dem großen Manne auszuschütten.“
Dieser Bitte zufolge werden Sie wohl die Güte haben diesem braven Manne seinen so erfreulichen Wunsche zu erfüllen.
Von dem Herrn Kanzelei-Vicedirector v. Both als Director unsres hiesigen Gesangvereins ist mir ebenfalls der Auftrag geworden Ihnen seinen herzlichsten Gruß zu vermelden und ergebenst zu bitten demselben ebenfals mit besagter Partitur zu beglücken. Der Vorsteher dieses Gesangvereins, der Kaufmann Herr Holzschue ein geborner Cassler ist so frei ein Schreiben7 dieserhalb an Ihnen hier mit bei zu legen.
Nun mein Hochverehrter Herr Kapellmeister habe ich nur noch die ganz ergebenste Bitte, mir mein vieles Schreiben nicht übel zu nehmen, ach! ich habe noch so vieles im Herzen was ich Ihnen schreiben möchte, allein um Sie nicht länger zu ermüden schließe ich mit der heiligsten Versicherung, daß ich mit innigster Liebe, Verehrung und Hochachtung verbleiben werde

Ihr
ganz ergebenster
Fr. Schwaan



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Schwaan, 20.05.1835. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schwaan an Spohr, 13.12.1835.

[1] Sic! Zeilensprung zwischen „wie“ und „wie“.

[2] Constanze, verw. Mozart.

[3] Vgl. Constanze Mozart an Schwaan, 07.08.1829, in: dies., Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842, Dresden 1922, S. 96, auch online.

[4] Vgl. Caroline von Weber an Schwaan, 26.08.1832, in: Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. Digitale Edition.

[5] Vgl. „[In dem vorgestern Statt gefundenen Concert spirituel]“, in: Wanderer 06.03.1834, nicht paginiert.

[6] Des Heilands letzte Stunden.

[7] Johann Philipp Holzschue an Louis Spohr, 29.06.1835.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.02.2024).