Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr Wohlgeboren
Herrn CapellMeister L. Spohr
in
Cassel
durch Güthe1
Carlsruhe d. 18ten
Aug. 1822.
Theurer Freund!
Schon lange wäre es meine Pflicht gewesen an Sie zu schreiben, ich würde es auch gethan haben wenn ich nicht immer gehofft hätte daß Sie mir schreiben würden wie es Ihnen ergeht. Daß Sie in Cassel sehr vortheilhaft angestellt sind erfuhr ich durch die Allerweltstrompeterin Fama – so sehr mich dieses freut, so hegte ich doch schon lange einen andern Wunsch nehmlich den, Sie (bey einer möglichen Veränderung in unserm Orchester) hier zu besitzen wozu mir H. Weixelbaum viele Hoffnung gab. H. Fesca hat sich wieder ziemlich erholft, kann jedoch keinen Dienst thun.
Durch den hiesigen H. Hofschausp. Walter ist mir seit lange wieder die erste Kunde gekommen von Fr. Hildebrand, er ist in Koenigsberg, es soll ihm aber wie mir H. Walter sagt, dort nicht gefallen und sich sehr in unsre Gegenden sehnen – in Ihrer jezigen Lage muß es Ihnen leicht seyn ihn in Cassel vortheilhaft unter zu bringen, kan meine Bitte etwas bey Ihren vermögen so lege ich dieselbe an Ihr gutes Herz – ich gönne Ihnen zwar den Hildebr. nicht. Es geschieht nur aus Eigennutz – ich denke nehmlich so – Cassel ist doch nicht so sehr aus der Welt als wie Koenigsberg, und nach Cassel zu kommen, ist für einen Fußgänger, wie ich einer seyn möchte, eine wahre Kleinigkeit! Hätte ich nicht schon eine Reise an den Bodensee projectirt welche ich binn einigen Tagen unternehmen werde, so würde ich Sie gewiß in Begleitung deß Ueberbringer2 dieses überfallen haben, hätten Sie mich gerne bey Ihnen gesehen so wäre ich 8-14 Tage bey Ihnen geblieben, wo nicht? so wäre ich nach Betrachtung aller Cassler Merkwürdigkeiten wieder nach Hause marschirt. Vor einiger Zeit ist mir die letzte Nähnadel, womit Ihre verehrungswürdige Frau Gemahlin meine Vorhänge so rechtlich versehen hatte, zerbrochen – wer da weiß wie nöthig ein solches Musterstück in einer Jung- oder Allgesellenwirtschaft ist – der kann sich eine Vorstellung von meinem Schmerz über diesen Verlust machen, um diesen nun zu ersetzen, weiß ich kein besseres i mir angenehmeres Mittel als daß Sie mich bald wieder besuchen! In der Hoffnung daß Sie mich bald mit einem recht grosen u. ausführlichen Brief beehren werden, nenne ich mich Ihren u Ihrer verehrten Famille3
ergebenster Freund
JFWitzenmann Hofmusic.
Autor(en): | Witzenmann, Johann Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Fesca, Friedrich Ernst Hildebrandt, Friedrich Wilhelm Spohr, Dorette Walter (Hofschauspieler in Karlsruhe) Weixelbaum, Georg |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Königsberg |
Erwähnte Institutionen: | Hofkapelle <Karlsruhe> Hofkapelle <Kassel> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822081841 |
Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Witzenmann an Spohr, 15.12.1826, aus dem sich erschließen lässt, dass Witzenmann zu den Empfängern von Spohrs Subskriptionsaufruf für sein Oratorium Die letzten Dinge gehörte, dessen an Witzenmann gerichtetes Exemplar derzeit verschollen ist.
[1] „Schließt man den Brief Jemanden zur Uebergabe bei, so schreibt man auf die Adresse: ,Durch Inlage‘ – ,durch Beischluß‘ – ,durch Einschluß‘ – ,durch Güte‘ oft auch abgekürzt nur die Anfangsbuchstaben: d. I. – d. B. – pr. E. – d. G. –“ (Neuester und vollständigster deutscher Universal-Muster-Briefsteller, sowie österreichischer Privat-Geschäfts-Secretär, welcher alle im bürgerlichen Leben vorkommenden schriftlichen Aufsätze zu verfassen lehrt, Bd. 1, o.O. [1842], S. 124).
[2] Noch nicht ermittelt.
[3] Sic!
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.02.2022).