Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Bratsch:3

Hochwohlgeborner Herr!
Hochgeehrtester Herr Generalmusikdirektor
und Hofkapellmeister!
 
Meinem gegebenen Vesprechen gemäß gebe ich mir die Ehre, Eur Hochwohlgeboren heute mitzutheilen, daß wir das Oratorium, „die letzten Dinge“ ganz bestimmt am Mittwoch den 27ten Juli, Abend‘s 5 Uhr im musikalischen Institute zur Aufführung bringen werden. Wie freuen uns unendlich auf diese schöne Produktion, die nun durch Ihre hohe Anwesenheit einen besonderen Glanz gewinnt. Möchten wir nur dabei im Stande sein Ihren Erwartungen eingiermaßen genügend zu entsprechen; dann, wenn der Schöpfer und Meister dieses großen Tonwerkes Strenge richten wird, so werden wir trotz des eifrigsten Strebens und des besten Willens, es gut vortragen zu wollen, doch nich recht bestehen können. Wir rechnen deßwegen sehr auf Ihre gütige Nachsicht und milde Beurtheilung; sagte ich ja schon zum Voraus, daß wir lauter junge Kräfte, Rekruten in musikalischer Beziehung in den Kampf führen; diese werden sich wohl gut herumpauken, allein es wird so mancher Disciplinarfehler dabei vorkommen; dessenungeachtet aber werden sie das Schlachtfeld behaupten.
Dank, herzlicher Dank für die sehr gefällige Uebersendung der Partituren und des Textes zu dem Oratorium; ebenso tausend Dank für die gütige Aufmerksammachung auf die schwersten Parthien des Orchesters, die es in der That wirklich sind und wo ich bitte, wenn hier Sünden begangen werden wollten, Gnade ausüben zu wollen. Uebrigens ist uns die Composition außerordentlich lieb und werth geworden, sie ist überaus schön, erhaben und erfreifend und wir sind bei jeder Probe hocherfreut über dieses herrliche Tonwerk, das wir eigentlich noch eine Stunde länger andauernd wünschten.
Bezüglich Ihrer Reise hieher erlaube ich mir Euer Hochwohlgeboren ergebenst vorzuschlagen, daß, wenn Sie am 27ten Juli früh vor 6 Uhr von Bamberg mit dem Postzuge abreisen, so sind Sie um 9 Uhr 12 Minuten Vormittags in Würzburg, allwo ich die Ehre haben werde, Sie im hiesigen Bahnhofe zu begrüßen; zugleich wird auch ein Wagen zu Ihrer Disposition bereit stehen, mit dem Sie in den „Würtemberger Hof“ fahren, welchen Gasthof ich hiemit empfehle und mit dessen Besitzer ich schon im Voraus Rücksprache nehmen werde.1
Sollten Euer Hochwohlgeboren Ihren Reiseplan anders bestimmen, so bitte ich nur um das Eine, mir die Stunde Ihrer Ankunft zu Würzburg wissen lassen zu wollen.
In der freudigen Hoffnung, Euer Hochwohlgeboren in der künftigen Woche persönlcih meine tiefste Verehrung und unbegrenzte Hochachtung aussprechen zu können, habe ich die Ehre unter vielen freundlichen Empfehlungen an Ihre hochgeehrte Frau Gemahlin zu beharren
 
Euer Hochwohlgeboren
dankbar ergebenster J.G. Bratsch,
Direktor des musikal. Instituts.
Würzburg den 18ten Juli 1859.

Autor(en): Bratsch, Johann Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Würzburg
Erwähnte Institutionen: Musikschule <Würzburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859071844

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Bratsch. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bratsch an Spohr, 06.08.1859.
Spohr erhielt diesen Brief am 20.07.1859 (vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag vom gleichen Tag).
 
[1] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 27.07.1859.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.06.2019).