Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Bratsch:2

Hochwohlgeborner Herr!
Hochgeehrtester Herr Generalmusikdirektor
und Hofkapellmeister!
 
Mit vielem Vernügen las ich Euer Hochwohlgeboren freundliches Schreiben vom 24. d. Ms., worin uns die sehr schmeichelhafte Aussicht Ihrer hochgeehrten Anwesenheit zu Würzburg während der Aufführung Ihres erhabenen Tonwerkes „die letzten Dinge“ bevorstehen soll; denn wir finden eine besondere Ehre und Auszeichnung darin, wenn Euer Hochwohlgeboren uns mit Ihrer hohen Persönlichkeit beglücken würden, obgleich ich voraussetzen muß, daß Sie sich nicht zu viel versprechen dürfen, indem wir immer mit jungen Kräften, die erst gebildet werden sollen, zu kämpfen haben, die also noch lange nicht die Gewandheit und Routine besitzen können, wie ältere Leute von Profession.
Bezüglich der Zeit der Aufführung des Oratoriums und gefälliger Darnachachtung diene Euer Hochwohlgeboren, daß solche unserer besonderen Verhältnisse wegen nur in der letzten Woche des Monats Juli, etwa am 27. oder 30. möglich ist; jedenfalls werde ich mir noch die Freiheit erlauben den Tag genau anzugeben und werde dieses nach Alexandersbad bei Wunsiedel adressiren. Ew. Hochwohlgeboren können Ihre Abreise gewiß auf einige Tage verzögern und es so möglich machen, daß Sie Ende Juli in Würzburg sein und bleiben können, zumal, da Alexandersbad ein ganz freundlicher Ort ist und schöne Umgebungen hat.
Am 23. Juni erhielt ich durch Herrn Domchordirector Richter in Naumburg die sämmtlichen Orchesterstimmen des Oratoriums geschickt und spreche Euer Hochwohlgeboren einstweilen meinen innigsten Dank dafür aus, was nun aber die Partitur hiezu betrifft, so wäre mir es unendlich lieb, wenn ich diese durch Ew. Hochwohlgeboren noch vor Ihrer Abreise erhalten könne; vorausgesetzt, daß solches keine weitere Mühe und Ungelegenheit verursacht. Für mich wäre die Partitur eine sehr große Erleichterung im Einstudiren und Dirigiren unseres Orchesters, besonders da dieses große Tonwerk reizend schön instrumentirt sein muß und ich1 den jungen Leuten das Einsetzen besser markiren könnte. Ich bitte also sehr herzlich um die gefällige Zusendung der Partitur, wenn sich‘s noch ohne große Umstände thunläßt. Auch erlaube ich mir noch eine Anfrage: Ist der Text von dem Oratorium „die letzten Dinge“ nicht besonders abgedruckt, und wo? Indem ich Euer Hochwohlgeboren eine recht glückliche Kur und recht schöne Witterung für Alexandersbad wünsche, danke ich zugleich für die freundliche Mittheilung Ihres hochgeehrten Besuches bei uns in Würzburg, und in der freudigen Hoffnung der Verwirklichung dieses Versprechens habe ich die Ehre mit der tiefsten Verehrung und ausgezeichnetsten Hochachtung zu verharren
 
dankbar ergebenster Diener
J.G. Bratsch, Direktor
des musikalischen Instutes.
Würzburg den 26. Juni 1859.

Autor(en): Bratsch, Johann Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Richter (Naumburg)
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Würzburg
Erwähnte Institutionen: Musikschule <Würzburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859062644

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Bratsch, 24.06.1859. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
 
[1] Hier gestrichen: „von“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.06.2018).