Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hr Dr Louis Spohr Wohlgeb.
Hessen. Cassel.

fr.1


Sehr geehrter Herr Kapellmeister!

Obgleich wir Sie bis zum letzten Augenblick erwarteten, so dachten wir doch, das die schlechte Witterung Sie wohl abhalten würde. Hätten Sie aber die Reise gemacht, so wäre es Ihnen vielleicht doch eine Freude gewesen zu sehen, welch einen tiefen, mächtigen Eindruck Ihr herrliches Werck auf die zahlreichen Zuhörer machte. Alles war entzückt, und ich glaube, mit der Aufführng wären Sie selbst nicht unzufrieden gewesen. Das Orchester bestand aus, 5 erste, 5 zweite Geigen, 3 Bratschen, 2 Celli, 2 Contra-Bässen, und aus den vollständigen zum Theil sehr gut besetzten Blasinstrumenten. Das Chor war allerdings etwas schwach besetzt (19 Sopr. 11 Altos 7 Ten. 8 Bässe) aber durch die glücklichen akustischen Verhältnisse in unserm Dom, welche das Singen sehr erleichtern, und weil es mit Sicherheit, Amt und Feuer seine Aufgabe erfüllte, fiel es nur an einzelne Stellen auf, nämlich, die schwache Besetzung. In den Solis hatte ich Fr Wigand Sopran, Hr Egli Bass, beide Schüler des Prof. Götze, aus Leipzig, den Hr Duller(?) aus Altenburg Tenor (er hat oft in Leipzig Solo gesungen) und ein recht tüchtige Dilettantin als Alt. Die Streich-Instrumente waren meist besetzt mit Mitgliedern des Gewandhauses. Besonders der Herr Egli Bass war ganz vorzüglich in seiner herrlichen Partie im zweiten Theil. Kurz und gut in mache grössere Stadt wurde es jedenfals nicht besser ausgeführt. Eine Partitur habe ich noch glücklich aus Erfurt bekommen, was mir meine Aufgabe sehr erleichterte.
Empfangen Sie, meinen herzlichsten Dank für das Borgen der Orchesterstimmen, und erlauben Sie mir das ich Sie noch einmal um Verzeihung bitte,2 wegen das so lange beahlten derselben, es war aber wahrlich ganz ohne meine Schuld.
Indem ich mich Ihner geehrten Famille bestens empfehle, nenne ich mich

Sehr [geehr]tester Herr!
Ihr stets dankbarer
G.J. Zillinger

Nb. 19 Juni 59

Nachdem ich schon diesen Brief geschrieben hatte und gerade mit den Orchesterstimmen fortschicken wollte bekam ich Ihre liebenswürdige Zeilen und beeile mich Ihrem Wunsche zu entsprechen.
Mit der ausgezeichnesten Hochachtung
der Obige.

Autor(en): Zillinger, Gerrit
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Duller (Tenor)
Egli, Georg
Götze, Franz
Wigand, Emilie
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Erfurt
Naumburg an der Saale
Erwähnte Institutionen: Gesangverein <Naumburg an der Saale>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859061940

Spohr



Dieser Brief ist zumindest in der Nachschrift die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Zillinger. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zillinger an Spohr, 07.08.1859.

[1] Aus dem Adressfeld befinden sich noch die Poststempel: „NAUMBURG A.S. / 20. / 6. / 2–3“, „CASSEL / 21 / 6 / 1859 / 5–6 V“ sowie ein dritter, nicht mehr lesbarer.

[2] Hier gestrichen: „dazu(???)“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.02.2020).