Autograf: Lippische Landesbibliothek Detmold (D-DT), Sign. Mus-h 17 S 16
Druck: Otto von Meysenbug, „Beiträge zur Geschichte musikalischen und theatralischen Lebens in Detmold”, in: Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde 3 (1905), S. 177-204, hier S. 197ff.

Sr. Wohlgeb
Herrn Hofkapellmeister Kiel
in
Detmold


Cassel den 16ten April 1859.

Wohlgeborner Herr Kapellmeister
Geehrter Freund,

Die Fräulein Horsley, die in diesem Frühjahr in Detmold einige Zeit zum Besuch verweilte, war so entzückt über die Leistungen Ihrer Kapelle und besonders in einigen meiner Sinfonien, daß ich die größte Lust bekommen habe Detmold auch einmal zu besuchen1, um so mehr, da ich noch nie dort war. Sie hat mir im Auftrag von Ihnen gesagt, daß dazu die passendste Zeit Anfang2 Mai sei, weil3 alsdann noch Niemand von Ihrer Kapelle beurlaubt und Ihr ganzes Orchester noch beisammen sey! Wir werden dieser Weisung folgen und daher am 30sten April Mittags4 von hier abreisen mit der Eisenbahn bis Paderborn und dann mit Extrapost den Rest des Weges bis Detmold, so daß wir gegen Abend bey Ihnen einzutreffen gedenken. Ich bitte Sie, mich meine 9te Sinfonie, die Jahreszeiten, hören zu lassen, weil ich sie auswärts noch nie gut gehört habe und sie, Frl. Horsley5 von der Aufführung dieser Sinfonie besonders entzückt war. Die Auswahl aller übrigen Kompositionen, mit deren Anhören Sie uns zu erfreuen gedenken, überlasse ich ganz ihrer Wahl. Noch bitte ich, daß Sie für uns im besten Gasthause 26 Zimmer belegen wollen,7 die wo möglich neben einander liegen müssen, weil uns die Schwester8 meiner Frau begleiten wird und daß Sie die Gefälligkeit haben wollen9 mir den Namen des Gasthauses hieher zu melden, da ich in Detmold ganz unbekannt bin.
Wenn Sie mich überhaupt mit einer Antwort erfreuen, so melden Sie mir doch auch, ob wir Ihnen mit dem letzten April [früher zu kommen sind wir verhindert]10 überhaupt gelegen kommen, und ob ich11 die mir gütigst geliehene Musik, die Orchesterstimmen der Lisztschen symphonischen Dichtungen, bis dahin behalten darf?12 Leben Sie wohl und empfehlen Sie mich Ihrem durchlauchtigsten Fürsten vorläufig.
Von unserer dießjährigen 1sten13 Reise nach Meiningen, von der wir soeben zurückgekehrt sind, werde ich vieles zu erzählen haben.14
Also auf ein fröhliches Wiedersehn nach langer Zeit. Herzliche Gruße von

Ihrem ergebenen
Diener und Freunde
Louis Spohr.
Kapellmeister a.D.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Kiel, August
Erwähnte Personen: Horsley, Sophie
Liszt, Franz
Pfeiffer, Caroline
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Jahreszeiten, op. 143
Erwähnte Orte: Detmold
Meiningen
Paderborn
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Detmold>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859041608

https://bit.ly/

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kiel an Spohr, 04.01.1857. In diesen Brief war noch eine Notiz von Marianne Spohr beigelegt. Kiel beantwortete diesen Brief am 19.04.1859.

[1] „auch einmal zu besuchen” über der Zeile eingefügt.

[2] „Anfang” über gestrichenem „der Monath” eingefügt.

[3] Hier gestrichen: „es”.

[4] „30sten April Mittags” über gestrichenem „1sten Mai” eingefügt.

[5] „, Frl. Hosley” über der Zeile eingefügt.

[6] „2” über gestrichenem „zwei” eingefügt.

[7] Hier gestrichen: „und”.

[8] Caroline Pfeiffer.

[9] „haben wollen” über der Zeile eingefügt.

[10] Am Rand eingefügt.

[11] Hier gestrichen: „Ihnen”.

[12] Da Kiel ihm die Stimmen am 04.01.1857 schickte, hatte Spohr demnach die Noten zu diesem Zeitpunkt seit über zwei Jahren entliehen.

[13] „ 1sten” über der Zeile eingefügt.

[14] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheinträge 10.-14.04.1859; „Louis Spohr. Aus Meiningen”, in: Niederrheinische Musik-Zeitung 7 (1859), S. 149f.; Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 397ff.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.07.2016).

Wohlgeborner Herr Kapellmeister
Geliebter Freund
Die Fräulein Horsley, die in diesem Frühjahr in D. einige Zeit zum Besuch verweilte, war so entzückt über die Leistungen Ihrer Kapelle und besonders in einigen meiner Symphonien, daß ich die größte Lust bekommen habe D. auch einmal zu besuchen, um so mehr, da ich noch nie dort war. Sie hat mir im Auftrag von Ihnen gesagt, daß dazu die passendste Zeit Anfang Mai sei, weil alsdann noch Niemand von Ihrer Kapelle beurlaubt und Ihr ganzes Orchester noch beisammen sei! Wir werden dieser Weisung folgen und daher am 30. April Mittags von hier abreisen mit der Eisenbahn bis Paderborn und dann mit Extrapost den Rest des Weges bis D., so daß wir gegen Abend bei Ihnen einzutreffen gedenken. Ich bitte Sie, mich meine 9. Symphonie, die Jahreszeiten, hören zu lassen, weil ich sie auswärts noch nie gut gehört habe und Frl. H. von der Aufführung dieser Symph. besonders entzückt war. Die Auswahl aller übrigen Kompositionen, mit deren Anhören Sie uns zu erfreuen gedenken, überlasse ich ganz ihrer Wahl. Noch bitte ich, daß Sie für uns im besten Gasthause 2 Zimmer belegen wollen, die womöglich neben einander liegen müssen, weil uns die Schwester meiner Frau begleiten wird und daß Sie die Gefälligkeit haben wollen mir den Namen des Gasthauses hieher zu melden, da ich in D. ganz unbekannt bin.
Wenn Sie mich überhaupt mit einer Antwort erfreuen, so melden Sie mir doch auch, ob wir Ihnen mit dem letzten April überhaupt gelegen kommen, und ob ich die mir gütigst geliehene Musik, die Orchesterstimmen der Lisztschen symph. Dichtungen, bis dahin behalten darf? Leben Sie wohl und empfehlen Sie mich Ihrem Durchl. Fürsten vorläufig.
Von unserer diesjährigen 1sten Reise nach Meiningen, von der wir soeben zurückgekehrt sind, werde ich Vieles zu erzählen haben.
Bis auf ein fröhliches Wiedersehn nach langer Zeit. Herzliche Gruße von Ihrem ergebenen Diener und Freunde
Louis Spohr, Kapellmeister a.D.