Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Firnhaber:20

Hochgefeierter,
bester Herr Kapellmeister!

Unter den zahlreichen Gratulanten, welche das Recht zu haben vermeinen, bei der Wiederkehr Ihres Geburtstages Ihnen nahen zu dürfen, finde auch ich mich in diesem Jahre wieder ein. Gott weiß es, daß ich den Tag jederzeit mit den innigsten Gefühlen u Wünschen für Ihr u der lieben Ihrigen Wohlergehen verlebe, auch wenn ich einen schriftlichen Ausdruck derselben unterlassen habe. Denn welche Erinnerungen an eine so schöne Zeit steigen dabei gleichzeitig in meiner Brust auf u welche Gefühle des Dankes für die so zahlreichen Beweise Ihres Wohlwollens gegen mich u die meinigen! Heute aber muß ich ohnehin eine böse Schuld abtragen, da ich den Brief von Ihrer Hand, welchen ich bei meiner Rückkehr von Wien im Herbste vorigen Jahres hier vorgefunden, noch nicht beantwortet habe. Die Antwort würde aber nur das schmerzliche Bedauern enthalten haben, daß die so lange u oft enthaltene Gelegenheit, Sie bei mir zu sehen, von mir vorüber gelaßen werden mußte. Darum habe ich mir dieselbe auf den heutigen Tage verspart.
Also kommen mein u der Meinigen herzinniger Glückwunsch zu Ihrem Geburtstage. Möchte der Allgütige Ihnen ein glückliches Alter gewähren! Ein Geist wie der Ihrige sollte von den Bedrängnissen, welche die körperliche Hülle deshalben mit sich führt, verschont seyn; eine Seele, die in ihrer reichen Schöpferkraft so Vielen den Himmel auf Erden hingezaubert hat, sollte von den irdischen Banden möglichst wenig berührt werden! Könnten alle Ihre Verehrer dieß von dem Allmächtigen nicht bloß erbitten, sondern erweichen: gewiß! Ihre innere Stimme sagt das Ihnen selbst, die Bitte würde in einem tausenstimmigen Chore von dem Thron des Höchsten erschallen! Denn Alle sind des Dankes u der innigsten Liebe gegen Sie voll. Also Glückauf zu dem neu beginnenden Lebensjahre!
Daß ich im Herbste nicht von Ihrer Seite die Genüße des Musikfestes theilen konnte, war nicht meine Schuld. Ich war von unserer Regierung nach Wien zum Congresse der Philologen deputirt, dessen Anfang unglücklicher Weise auf denselben Tag fiel, auf welchen das hiesige Fest angesetzt war. Ich hätte Ihnen über gar Mancherlei erläuternde Aufschlüsse geben können, wenn ich hier gewesen wäre.
Meine Reise ging damals in Begleitung meiner Frau über München, Salzburg, Ischl, Wien, Prag, Dresden; vier Wochen der herrlichsten Natur- Kunst- u Wissenschafts Genüße werden zu den schönsten Lebenserinnerungen gezählt werden.
In der Voraussetzung, daß Sie u namentlich Ihre liebe Frau daran Antheil nehmen, theile ich Ihnen mit, daß mein Erstgeborener, Willi, seit zwei Monaten in Paris verweilt, wo er in einem großen Exportgeschäft als Commis fungirt. Er ist jetzt 20 Jahre alt – so schnell, so reißend schnell gehen die Jahre hin. Gottlob habe ich an ihm viele Freude u darf mit einiger Beruhigung ihn zu dem Sodom u Gomorrha anvertraut wissen.
Mit der Bitte, mich den lieben Ihrigen sämtlich zu empfehlen u in der Hofnung, daß ein günstiges Geschick mir erlauben werde, bald einmal wieder Ihnen persönlich vor das Antlitz zu treten,

beßter Herr Kapellmeister
Ihr
treuergebenster
CGFirnhaber

Wiesbaden den 4 April 1859.

Autor(en): Firnhaber, Carl Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Firnhaber, Marie
Firnhaber, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Dresden
Ischl
München
Paris
Prag
Salzburg
Wien
Wiesbaden
Erwähnte Institutionen: Mittelrheinische Musikfeste <verschiedene Orte>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859040447

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Firnhaber.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.12.2020).