Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

also adoptirt:
Verehrter Freund!
 
Ihre überaus freundlicher u schmeichelhafter Antwort auf mein Schreiben, überraschte mich auf das Angenehmste, u ich bin doppelt erfreut noch eine besondere Absicht die ich hegte, dadurch erfüllt zu sehen, nemlich auf diesem Wege zu etwas zu gelangen das mir noch fehlte: Ihre eigene Handschrift um sie meiner Colektion von Briefen berühmter Männer, die theils an meinen sel. Vater, theils an mich selbst gerichtet sind, als wie: Schiller1, Göthe2, Wieland3, Mozart4, Beethoven5 && beyfügen zu können.
Daß Sie die Ihnen überschickte Kleinigkeit zurück behielten war mir der schönste Beweis daß Sie sie nicht verschmähten u ich besitze, wie Sie richtig bemerken, noch eine Abschrift dazu. Da ein günstige Aufnahme auch dreist macht, mag Ihnen schon längst bekannt seyn u ich gehe daher gleich einen Schritt weiter zu fragen, ob, wenn sich ein Verleger dafür finden sollte, es als ein Ihnen gewidmetes Produckt in die Welt spatzieren dürfte?
Nun muß ich Sie aber auch auf unsere früheren freundschaftlichen Verhältnisse zurückführen!
Es war im 9br6 1820 daß Sie mit Ihrer ersten Gattin hier in Mainz waren. Mein erstes war, Sie aufzusuchen um Ihre Bekanntschaft zu machen, denn von jeher strebte ich, entweder persönlich oder doch auf schriftlichem Wege nach der bekanntschaft hervorragender Personen, u atte dies noch nie bereut, denn ich fand in ihnen immer die aufrichtigsten Kritiker u daher die Einzigen auf deren Urtheil ich bauen konnte, als wie z.B. Mehul7, Beethoven, Ferd. Ries, Alois Schmitt, Fink in Leipzig && An der schönsten Aufmunterung hat es dabey auch nicht gefehlt. Sie beehrten mich hierauf mit Ihrem Besuche in Gesellschaft unsres alten Zulehner‘s u sprachen sich sehr günstig über ein Violinconzertant von mir aus; Sie wunderten sich, daß ich, ohne Violinspieler zu seyn, so etwas zu Stande bringen konnte. Während Ihres ganzen Aufenthaltes in Mainz, war ich täglich in Ihrer Nähe, hörte ihren herrlichen Quartetten bey Schott zu, wohnte Ihrem Konzerte bey, so, als8 ich Ihrer Frau Gemahlin mein Kompliment über ihr treffliches Spiel machte, Sie seelenvergnügt neben ihr standen u in mein Lob einstimmten. - Dergleichen Scenen mögen nun in Ihrem Leben gar viele vorgekommen seyn u es ist klar daß sie sich mit der Zeit verwischen.
Sehr leid war es mir, dem, im verwichenen Spätjahre in Wiesbaden statt gefundenen Musikfeste nicht beygewohnt zu haben, weil ich leider zu spät erst erfahren hatte, daß auch Sie anwesend waren. Sollten Sie nicht das für diesen Sommer hier bestimmte Fest auch besuchen? Wenn ich dieses erführe, so würde ich Ihrethalben unbedingt meinen reizenden Sommer-Landsitz in Assmannshausen verlassen u nach Mainz kommen.
In der Hoffnung auf diese meine Zeilen noch das Weitere von Ihnen zu erfahren, u mit der Bitte nicht auser Acht zu lassen welchen Werth es für mich haben muss zu sehen daß ich Ihnen nicht ganz gleichgültig bin, habe ich die Ehre hochachtungsreich zu nennen
 
Ihren
ergebenen Diener
u Freund
August v. Klein
 
Mainz d 22ten März 1859
 
Wenn ich auch nicht die Ehre habe Ihre gegenwärtige Frau Gemahlin zu kennen, so bitte ich doch Ihr meine Hochachtung zu bezeigen.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Klein.
 
[1] Friedrich von Schiller an Anton Klein, 08.01.1784 (in: Briefwechsel. Schillers Briefe 1772-1785, hrsg. v. Walter Müller-Seidel (= Schillers Werke Nationalausgabe), Weimar 1956, S. 126), 05.06.1784 (in: ebd., S. 140f.), 08.11.1784 (in: ebd., S. 160), 31.12.1784 (in: ebd., S. 170f.), Ende 1784 (in: ebd. S. 171f.), 07.01.1785 (in: ebd., S. 172) und Mitte Februar 1785 (in: ebd., S. 174).
 
[2] Johann Wolfgang von Goethe an Anton Klein, 17.04.1789, in: Goethes Briefe, Bd. 18 (= Goethes Werke [Weimarer Ausgabe IV]), Weimar 1895, S. 36f.
 
[3] Christoph Martin Wieland an Anton von Klein, 20.09.1774 (in: Wielands Briefwechsel, Bd. 5, hrsg. v, Hans Werner Seiffer, Berlin 1993, S. 292-295), 10.12.1775 (in: ebd., S. 452f.) und 31.01.1783 (in: ebd., Bd. 8.1, hrsg. v. Annerose Schneider, Berlin 1992, S. 74ff.).
 
[4] Wolfgang Amadeus Mozart an Anton Klein, 21.05.1785, in: Mozart Briefe und Dokumente – Online-Edition.
 
[5] Ludwig van Beethoven an Karl August von Klein, 10.05.1826, in: Ludwig van Beethoven, Briefwechsel Gesamtausgabe, hrsg. v. Sieghard Braundenburg, Bd. 6, München 1996, S. 244f.
 
[6] Abk. f. „November“.
 
[7] Vgl. Karl Krükl, Leben und Werke des elsässischen Schriftstellers Anton von Klein, Straßburg 1901, S. 98.
 
[8] „als“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.07.2018).