Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Inhaltsangabe: Louis Spohr's Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 394

Hochverehrter Herr Hofkapellmeister.
hochgeehrter Herr Doctor.

Mir zwar wird der 25 Juli 1856 unvergeßlich bleiben, an welchem Tage ich das Glück hatte, mit Ihnen eine Spazierfahrt von Wernigerode und in Einem Wagen zu machen, mit Ihnen das Mittagessen auf der entzückenden Höhe der Roßtrappe einzunehmen1; - Ihnen ist muthmaßlich jener Tag entschwunden; erlauben Sie mir daher, Sie an ein Wort zu erinnern, welches Sie mir damals sprachen: „Wenn Sie in Königsberg etwas in der Zeit von Mai bis August arrangiren wollen, so schreiben Sie mir, ich komme; ich bringe auch meine Geige mit und spiele; ich komme noch!“ In Folge dieser mich hocherfreuenden Zusage hatte ich Absicht, in dem Sommer darauf hier ein Musikfest einzurichten; – da starb im Winter, am 22t Nobr. 1856 mein theurer Vater; – Muth und Stimmung für das Fest u seinen Vorbereitungen u Mühen waren natürlich dahin. Nun trifft aber in das Frühjahr, dem wir entgegensehen, ein Tag richtiger Erinnerung: die Säkularfeier des Todes des großen Händel. Diesen Tag ohne hervorragende Festlichkeit vorüber gehen zu lassen, schien mir weder mit meiner hiesigen musschen Stellung, noch meiner – was d. Hauptsache - mit meinem musikalischen Gewissen verträglich, – abgesehen von den bereits i.J. 1856, nach der Mozartfeier vom 27t und 28t Januar, mir öffentlich für diesen Händeltag bereiteten Anregungen2. Demnach habe ich ein Comité zusammengestellt, aus folgenden Personen bestehend: den Bürgermeister von Königsberg Bigorck, den Kommandeur von Königsberg General von Buddenbrock, den Rittergutsbesitzer Grafen Bülow von Dennewitz, den Kaufmann Ehlert, den Stadtrath von Facius, den Buchhändler Koch, den Ober-Regierungsrath Krossa, den Direktor der hiesigen Maler-Akademie Rosenfelder, den Tribunals-Rath Ulrich. Dieses Comité hat dann mich zum Vorsitzenden, den Bürgermeister Bigorck zum Schriftführer den Kaufmann Ehlert zum Kassenführer gewählt; nach meinem Vorschlage ist die Pfingstzeit, und zwar die Woche unmittelbar nach den Feiertagen zur Festzeit bestimmt (Mittwoch d 15t Juni dJ. dürfte das Fest beginnen) – denn eine Ferienzeit bedürfte man den auswärtigen Theilnehmern wegen; die Dauer des Festes auf 3 Tage festgesetzt, so daß am 1t Tage der Messias in der Domkirche aufgeführt werden soll, am 2t Tage ein Konzert im Theater oder einem großen Saale statt findet, welches hervorragende Kompositionen Händels verschiedener Art, geeignet seine musikalische Laufbahn zu charakterisiren, betragen soll; u am 3t Tage ein Künstler Konzert statt findet, welches ein Programm nicht nach dem Objekt der Feier, Händel, sondern nach den Subjekten desselben, den anwesenden Künstlern, aufstellt. Unter diesen Künstlern Sie, hochzuverehrender Herr, zu sehen, würde dem fest den schönsten Glanz und die höchste Weihe geben; wir würden denn, was alle aufrichtigen Festtheilnehmern ein Gedächtniß sein muß, einen Lebenden unter uns haben, auf welchen wir alle Beweise von Liebe und Verehrung übertrügen, die wir dem Todten, Händel, nicht mehr erweisen können. Mein Oheim L. Maurer, der im vorigen Jahre auf seiner Reise durch Deutschland nach London u Paris mit seinem jungen Sohne, dem Cellisten Allexander der zweimal3 hier war4, hat mir mir vorläufig auch seine Anwesenheit mit beiden Söhnen zugesagt; – obgleich ich fast zweifele, daß er nun schon wieder die weite u unbequeme Reise von Petersburg hierher wird machen u den nöthigen Urlaub erhalten können. Sie haben es leichter, glaube ich, in beiden Beziehungen. Das ganze Comité vereinigt seine Bitte mit der meinigen, unserem Fest die Ehre Ihrer Gegenwart zu gönnen. In welcher Weise Sie diese Gegenwart dem Fest auch in musikalischer Mitwirkung würden fruchtbar machen wollen, würden Sie selbst bestimmen: Hoffentlich aber würden Sie einen Theil der Direktion übernehmen, nach eigener Wahl – etwas den Messais, oder den ersten Theil desselben (fals Ihnen der Ganz zu anstrengend), und diejenigen Ihrer Kompositionen, welche am dritten tage aufzuführen wären; vielleicht ach beglücken Sie Königsberg durch Ihr Violinspiel. Doch wie gesagt, was Sie darüber bestimmen, ist uns im Voraus maßgebend. Es wird ein ansehnliches Personal zusammen sein, (denn die Theilnahme ist in hiesiger Residenz wie in den Provinzialstädten äußerst feurig; es wird ein leidlich brauchbares Personal zusammen sein (denn nur solche Vereine, welche in der Ausführung von Kompositionen strengen Styls geübt sind, wurden zur Theilnahme aufgefordert u zugelassen). Von Künstlern dürften auch berühmte Namen bei dem Fest thätig sein; wenigstens sind Unterhandlungen nach dieser Richtung hin angekündigt. An Rechtsanwalt Haushalter in Wernigerode werde ich auch schreiben, sobald ich Ihre Antwort habe: –
Diese Antwort hoffe ich günstig ausfallen zu sehen. Freilich, wer kann ermessen, wie sich auch Ihre Zustiände in fast drei Jahren solchen Unternehmungen gegenüber geändert haben? Aber hoffentlich nicht so, daß daselber Ihre Herkunft vereiteln. – Wollten Sie die große Güte haben, in der Antwort auch diesen oder jenen Rath u Wink in Betreff des Programmes für den zweiten u dritten Tag, oder in irgend einer Beziehung mir zu ertheilen, so würde ich dafür noch ganz besonders dankbar sein.
Indem ich mich Ihnen, höchverehrtester Herr Hofkapellmeister, auf das angelegentlichste empfiehlt, eine gleiche Empfehlung Ihrer Frau Gemahlin auszurichten, verharre ich
mit der vorzüglichsten Hochachtung u Verehrung

Dr. Fr. Zander
Obervorsteher der Musikalischen Akademie
Vorsitzender des Comités für das Händelfest

Königsberg
d 19t Februar
1859

Autor(en): Zander, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bigorck, Karl Hermann
Bülow von Dennewitz, Friedrich Albert
Ehlert, Robert
Facius, Wilhelm von
Koch, Wilhelm
Krossa
Maurer, Alexander
Maurer, Louis
Maurer, Wsewolod
Ulrich, Karl
Erwähnte Kompositionen: Händel, Georg Friedrich : Messiah
Erwähnte Orte: Königsberg
Erwähnte Institutionen: Händelfest <Königsberg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1859021347

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 376.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] „zweimal“ über der Zeile eingefügt.

[4] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.07.2022).