Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

New-York 5. Octb. 58.
Adresse: Hudson-Street, No 665.
Corner 13 Str.

Hochgeehrtester Herr!

Nach einer langen Pause möchte ich mir erlauben, Ihnen einige Zeilen zu schreiben.
Seit einem Jahre etwa, befinde ich mich in New-York als Musiklehrer; in Umständen und Verhältnissen, die materiell gut sind. Für die Kunst habe ich bis jezt hier nichts gethan, Doch habe ich sie nicht vergessen. Mein Vater in St. Georgen ist bereits beauftragt, Ihnen meine neueste Komposition, welche in Donauäschingen gedruckt wurde, zuzusenden. Es ist ein kleines Heft Männerlieder! Sie können Ihnen bereits zugekommen sein.1
Da ich annehme, daß es für Sie von Interesse sein wird, zu erfahren, wie die disatlantische Presse von Ihnen urtheilt, so möchte ich mir gestatten, Ihnen (anliegend) zwei kleine Beilagen zu senden, und das Folgende kurz zu bemerken.
Nebst Händel, gibt es zwei Namen von Tonsezern, die hier am meisten genannt sind: Spohr und Mendelssohn. Sie wissen, wie innig America mit England verknüpft ist. Deutsche Komponisten, die England besuchten, haben eo ipso auch hier mehr Namen. So ist's in der englisch-amerikanischen Presse in New-York der Fall. Die hiesige deutsche Presse hat über Deutschland und dessen große Künstler einen besseren und freieren Ueberblick, als man einen solchen in Deutschland selbst zu bekommen oder sich zu bilden vermag. Auch hierin ist ein Grund zu suchen, weßhalb Ihr Name, der denn der am Meisten solide und begründete unter lebenden Tonkünstlern ist, mit überwiegender Vorliebe und Anerkennung hier genannt wird. Unter allen hiesigen (americanischen) Journalen in deutscher Sprache, haben sich im lezten Jahre und bis dato „die Familienblätter für die Vereinigt. Staaten“ (New-York) am Wärmsten für Sie interessirt. (Unter den beiden Beilagen ist die kleinere2 diesem Journal entnommen.) Der Redakteur ist ein Herr Dr Dilthey, den ich kenne, da ich sein Wochenblatt halte. (Die zweite größere Beilage3 ist entnommen der „Deutschen Musik-Ztg.“, die in Philadelphia erscheint.“
Es freut mich, Ihnen solche Mittheilungen machen zu können.
Wenn das Klima mich nicht zwingt, nach Deutschland zurückzukehren, so gedenke ich lange Jahre hier zu bleiben!
Inzwischen wären einige Zeilen von Ihnen sehr erwünscht. Gestatten Sie zum Schluß die Bemerkung, daß ich, wie immer, so auch jetzt und fernerhin Ihnen aufrichtig geneigt, und dankbar gesinnt bin.
Mit größter Hochachtung zeichnet

Ihr ergebenster
Fz. Keppner, Musician.

Autor(en): Keppner, Franz Joseph (Sohn)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Dilthey, Carl
Händel, Georg Friedrich
Keppner, Franz Joseph (Vater)
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Kompositionen: Keppner, Franz Joseph : Lieder, Männerchor
Erwähnte Orte: New York
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858100546

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Keppner an Spohr, 10.03.1856.

[1] Keppners 4 Lieder für Männerstimmen, Donaueschingen [1858] befanden sich noch in Spohrs Nachlass (vgl. Verzeichniss der hinterlassenen musikalischen Bibliothek von Louis Spohr, Kassel 1860, S. 25).

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (29.10.2019).