Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck 1: Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 395 (teilweise)
Druck 2: Simon Moser, Das Liedschaffen Louis Spohrs. Studien, Kataloge, Analysen, Wertungen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kunstliedes, Kassel 2005, Bd. 1, S. 81 (teilweise)
Inhaltsangabe: Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 493

Hochverehrter Meister!

Ihre „verschwiegene Nachtigall“, die in den dichten Lauben des vorjährigen Musen-Almanachs ihr klangreiches Nest gebaut1, hat gerade um ihrer beredten Verschwiegenheit willen den lautesten Beifall bei der deutschen Nation gefunden. Wer auch noch wüßte seelenvollere Klänge anzuheben, wer bewegte ein deutsches Herz tiefer und reiner, als der liebe, treffliche Meister2, an den ich die Ehre habe, diese Zeilen richten zu dürfen. Kein Wunder, wenn ich auch heuer wieder bei Ihnen anklopfe. Ich komme ja im Namen & im Auftrag von mehr als achtzig der besten deutschen Köpfe & Herzen, die mich als ihren Fahnenträger für eine edle, vaterländische Sache gutheißen. Schmücken Sie also hochverehrter Meister, auch den IX. Jahrgang des deutschen Musenalmanachs, der zum Besten von Schillers Geburtshaus in Marbach Mitte November erscheinen soll & neben dem Lied auch ein Theil des poetischen Nachlasses, unseres unvergeßlichen Eichendorff und Dichtungen von mehr als 80 der bekanntesten Dichter der Gegenwart enthalten wird, ein neues Lied. Der „Musenalmanach“, auch von der englischen, französischen, holländischen & italienischen Presse jährlich ausführlich besprochen, ist bereits zum Lieblingsbuch der Nation geworden & verdankt diese seine allgemeine Verbreitung besonders auch der regen Theilnahme, mit der sich der Altmeister Spohr seiner annimmt. Lassen Sie sich darum auch heuer seine Pflege bestens empfohlen sein. Ich lege, um Ihnen Zeit und Mühe des Nachlesens zu ersparen, drei der schönsten Goethe‘schen Lieder, obwohl unmaßgeblich, zur Auswahl in Abschrift vor und gebe mich der fröhlichen, erhebenden Zuversicht hin, bis Mitte Oktober das ein oder andere von Ihrer Meisterhand in melodisches Gewand gehüllt dem IX. Jahrgang gewidmet und damit einen großen, schönen Liebesdienst erwiesen zu sehen.3
Genehmigen Sie auch bei dieser Gelegenheit den vollen Ausdruck unwandelbarer Verehrung & Liebe von

Ihrem
dankbar ergebenem
Schad.

Kitzingen a/m (oberhalb Würzburg)
24/IX 58.

Autor(en): Schad, Christian
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Sgst Kl, WoO 127
Spohr, Louis : Lieder, Sopr Kl, WoO 126
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858092447

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schad an Spohr, 07.10.1857.

[1] Vgl. Deutscher Musenalmanach 8 (1858), Beilage.

[2] Hier von anderer Hand mit Bleistift eingefügt: „Spohr!“, wie es auch in Druck 1 übernommen wurde. Genauso dienten Unterstreichungen im Autograf offensichtlich der Vorbereitung für die Aufnahme des gekürzten Texts für die Selbstbiographie.

[3] In Deutscher Musenalmanach 9 (1859), Beilage erschien sein Lied „Neue Liebe, neues Leben“ WoO 127. Die Entstehungsgeschichte des Lieds berichtet Druck 1 im Anschluss an die Briefwiedergabe.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.12.2019).