Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Lüdenscheid, 17. August 1858.

Hochgeehrtester Herr!

Als ich vor drei Jahren in Hagen durch meinen Freund u. Collegen Baldewein ihr Oratorium „die letzten Dinge” aufführen hörte entstand in mir, hingerissen durch dieses Werk, der heiße Wunsch dasselbe auch hier bei mir, der Stadt meiner Wirksamkeit zur Aufführung zu bringen. – – „Es ist geschehn.”1 – – Das Werk ist einstudirt u. soll im September aufgeführt werden.
Wir besitzen indeß die Orchesterstimmen2 nicht, u. da das Conzert in der Kirche zum Besten eines zu erbauenden Krankenhauses sein soll, möchten wir die ohnehin schon bedeutenden Unkosten nicht noch mehr erhöhen, des guten Zweckes wegen.
Ich wage daher hochgeehrter Herr an Sie die allerergebenste Bitte, mir zu dem gn. Zwecke die einzelnen Orchesterstimmen Ihres Werkes gütigst leihen zu wollen, Ihnen die feste Versicherung gebend, daß Sie dieselben unaufgefordert nach Gebrauch zurück erhalten sollen. Um die Partitur wage ich nicht zu bitten, da ich hoffe bei Studium der einzelnen Stimmen das Werk nach dem Clav. Auszuge dirigiren zu können.
Da nun natürlich mehrere vollständige Proben vor der Ausführung unerläßlich u. die Zeit drängt u. ich dazu in einer großen Verlegenheit um die Orchesterstimmen schwebe, erlaube ich mir schließlich die ergebenste Bitte mir doch gütigst, so rasch als Ihnen möglich, gefälligst Anwort zu kommen zu lassen.

Mit der allergrößten Hochachtung
und Ergebenheit
zeichnet
Louis Weinbrenner
Dir. des städt. Gesangvereins.

Autor(en): Weinbrenner, Louis
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Baldewein, Friedrich
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Hagen
Lüdenscheid
Erwähnte Institutionen: Gesangverein <Lüdenscheid>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858081745

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Mit diesen Worten beendet der Solotenor in Die letzten Dinge die Instrumentalmusik, die die Zerstörung der Welt schildert.

[2] Dieser Beleg widerspricht der in der Literatur vertretenen Behauptung, dass „es doch bis 1896 dauerte“, dass in Lüdenscheid die Aufführung größerer Chorwerke möglich wurde (Maria Elisabeth Brockhoff, „Musik“, in: Westfälische Geschichte, Bd. 2 Das 19. und 20. Jahrhundert. Politik und Kultur, hrsg. v. Hans-Joachim Behr und Wilhelm Kohl, Düsseldorf 1983, S. 519-542, hier S. 526), bzw. dass zu dieser Zeit Oratorienaufführungen nur teilweise und mit Klavierbegleitung stattfanden (Günther Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813-1914, Lüdenscheid 1985).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.02.2020).