Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeboren
Herrn General Musikdirector Dr. Spohr


Dordrecht 5 April 1858.

Hochverehrter Herr General Musikdirector!

Empfangen Sie meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstage! Möge der gütige Schöpfer aller Dinge Sie noch lange Jahre in steter Gesundheit und Zufriedenheit der Ihrigen, Ihren unzähligen Verehrern und der gesammten musikalischen Welt erhalten und möge die in letzten Jahr empfundene schwere Prüfung die letzte sein die Ihnen wiederfährt und Sie von nun an in ungetrübter Heiterkeit, Glück u Freude genießen!
Herr Dr. Hauptmann wird die Güte haben Ihnen diesen Brief einzuhändigen, denn ich glaube fest daß Sie die Reise nach Magdeburg u Dresden angetreten haben und Leipzig nicht passiren werden ohne Hr. Hauptmann gesehen u gesprochen zu haben; ferner hoffe ich daß die Reise für Sie und Ihre Frau Gemahlinn eine recht glückliche freudige u wohlthuende sein wird; daß die Ausführung Ihres Oratoriums „Des Heilands letzte Stunden“ ganz zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen sein wird und daß Sie überall wie im Triumph empfangen werden!
Ganz kürzlich habe ich Ihr Nonett hier aufgeführt und obwohl ich dasselbe vor langen Jahren in Leipzig gehört hatte, doch nun erst näher kennen lerne. Was ist das ein herrliches vortreffliches u freundliches Werk! Wie sehr beklage ich es daß ich erst einen so kleinen Theil Ihrer Werke zu kennen Gelegenheit gehabt habe! Doch die ich kenne sind mir so lieb, so ganz von Herzen lieb wie – wie ihr Schöpfer selbst.
Sie stehen doch in der Geschichte der Musik einzig da! So viel Schönes, so viel Herrliches u Gewinnendes in jeder Musikgattung hat doch niemand vor Ihnen geschrieben und wird allen Anzeichen noch auch nach Ihnen niemand mehr hervorbringen die Zeit ist da wo Sie allgemein geliebt werden, wo die gefühlsarme Welt sich an Ihren Werken erinnern wird, denn ein inniges tief poetisches Gefühl spricht, bei aller andern vortrefflichen Eigenschaften aus Allen! –
Mit welchen Stoltz können Sie auf Ihre Werke schauen u mit welchem edlen Selbstgefühl müssen Sie auf Ihr Leben und auf Ihre Thaten zurückblicken! Ein solches Loos ist doch Wenigen beschieden u noch Wenigere machen eine so guten Gebrauch von ihrem Leben u Kräften!
Ihren Geburtstag werde ich heute tapfer feiern. Es ist ein gar schöner Frühlingstag der so herrlich einlädt des geliebten Meisters zu gedenken!
Leider komme ich mit meinen Wünschen zu spät, doch sind sie eben herzlich gemeint, die Unschlüssigkeit ob ich den Brief nach Leipzig oder Cassel addressiren solle ist mit Ursache davon u ich bitte drum um Entschuldigung.
Und wiederum schreibe ich Ihnen hochverehrtester Herr General Musikdirector daß ich Sie unendlich lieb habe u daß ich nie damit aufhören werde und daß meine Verehrung für Sie ebenso unendlich ist!
Um meine allerbeßten Empfehlungen an Frau General Musikd[irector] und Fräulein Pfeiffer bittend nenne ich mich Ihren treu ergebenen

F. Böhme

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte: Dresden
Leipzig
Magdeburg
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858040540

Spohr



Der letzte Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 18.03.1858. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 10.11.1858.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.10.2020).