Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Dordrecht den 18ten März 1858.
Hochverehrtester Herr General Musikdirector!
Ihr lieber Brief für den ich herzlichen Dank sage, hat mich mit Freude – aber auch mit Wehmuth erfüllt. Mit Freude – daß der Arm glücklich geheilt ist und Sie sich körperlich viel besser befinden und daß nun auch die Nachtruhe zurückkehrt, und mit Wehmuth – daß Sie den Arm vielleicht niemals wieder zum Violinspiel werden gebrauchen können! Doch habe ich viele Hoffnung, wenn sich mit der Zeit die leichteren u bequemeren Bewegungen wieder einstellen, daß sich auch die frühere Gewandtheit wieder einfindet. jedenfalls würde ich in Ihrer Stelle dazu die Hoffnung und den Muth nicht aufgeben, denn wohl mit vollen Recht konnten Sie Stolz auf Ihr herrliches vortreffliches Violinspiel sein! Daß Sie hochverehrtester Herr General-Musikdirector aber auch vom Componiren so sprechen, daß finde ich nicht gut. Und wäre es zu Ihrer eigenen Freude, zu Ihrer Beschäfftigung, wäre es eine Abwechlsung in Ihren Beschäfftigungen zu haben, so würde ich es Ihnen so dringend möglich anrathen. Sie sind noch so kräftig und stark daß Ihr Geist noch manches herrliche Werk hervorbringen kann. Nur müßten Sie sich über die Ihnen wiederfahrene Ungerechtigkeit pp hinwegsetzen. Ganz besonders viel Gutes für Sie erwarte ich nun von Ihrer erlangten Freiheit. Wollte Gott daß Sie diese bereits vor Jahren besessen hätten, es würde sicher Ihr Leben u Wirken dadurch eine andre Gestalt erhalten haben! Doch auch nun freue ich mich Ihrer Freiheit und es machen mir Ihre Pläne für den Gebrauch derselben unbeschreibliche Freude. So hoffe ich daß die Reise nach Magdeburg u Dresden eine recht glückliche, genußreiche u wohlthuende werden wird; daß Ihr Oratorium „des Heilands letzte Stunden“ zu Ihrer Zufriedenheit ausgeführt werde und die ganze Reise einem Triumphzuge gleiche!
Für die Ausführung meiner Ouverture1 sage ich Ihnen herzlichen Dank. Lieb wäre es mir gewesen wenn Sie mir nun auch Ihr Urtheil u Ihre Ausstellungen darüber geschrieben hätten u sollte der 9t Ouverture die Ehre der Ausführung noch zu Theil werden, so bitte ich dringend dearum und auch welche von beiden Sie wählen zur Widmung. Gern möchte ich das das Wort welches ich meinem hochverehrten u geliebten Meister widmen, daß besßte sei welches ich hervor bringen kann und tausendmal besser; jedoch bei meinen drückenden Beschäfftiungen ist so bald nicht daran zu denken daß ich Besseres hervorbringen werde und Ihre unendliche aufrichtige Güte nimmt den guten Willen für die That. Auch für die zugesagte Ausführung und Correctur der Quatuors danke ich herzlich im Voraus.
Aus Ihem lieben Briefe sehe ich zu meiner unaussprechlichen Freude daß Sie lieber Herr General Musikdirector mir weiter mit Güte u Wohlwollen zugethan sind. Daß ich Alles thun werde was irgend möglich ist um sie mir fortwährend zu erhalten, darf ich Ihnen wohl nicht erst betheuern – und schreibe ich Manches unschidliche oder unpassende, so sein Sie mir nicht bös, die treueste Liebe, Verehrung und Anhänglichkeit ist es die es mir eingiebt. Außerdem habe ich so selten ruhige Augenblicke um Ihnen mit der nöthigen Uberlegung schreiben zu können.
Kann es Ihnen eine kleine Freude bereiten, so melde ich Ihnen daß Jessonda verschiedene Male in Amsterdam im vergangenen Winter von einer deutschen Opern Gesellschaft aufgeführt ist2 u daß die Weihe der Töne wieder die Runde gemacht hat denn sie ist im Haag3, in Amsterdam4 ganz kürzlich u in Rotterdam in dieser Saison ausgeführt, so wie verschiedene Ihrer anderen Werke. Auch Herr Prof. Pott hat mir Ihrem „weltberühmten Concerte“ die Gesangsscene überall vielen wohlverdienten Succes gehabt5 u ein weltberühmtes Concert ist es und bleibt es in Ewigkeit!
Meinen nächsten baldigen Brief gedenke ich unter Dr. Hauptmanns Addr. an Sie nach Leipzig zu senden, da ich glaube daß Sie Leipzig nicht passiren werden ohne Hr. Hauptmann gesehen u gesprochen zu haben. Er müßte denn so arg mit dem Wetter sein daß ich befürchte6 Sie hätten die Reise aufgeben müssen.
Nun bitte ich um meine allerbeßten u allerherzlichsten Grüße u Empfehlungen an Frau General Musikdirector und an Ihre Schwägerin Fräulein Pfeiffer. ich kann so lebhafft fühlen u denken was beide Damen mit Ihnen gelitten und welche Angst und Sorgen Sie ausgestanden haben! Doch nun hoffe ich daß alles Ungemach überstanden u die Freude wieder bei Ihnen einkehrt.
Auch um meine besten Empfehlungen an Mad. Zahn und Herrn Wiegand bitte ich.
Und nun von ganzen Herzen wünschend daß Ihre gänzliche Herstellung bald erfolgen möge; daß Sie Ihre gewohnte Heiterkeit wieder erhalten u daß Sie mit beginnenden Frühling nun wieder aufleben, empfehle ich mich mit größeßter Hochachtung und mit stets getreuer Liebe u Verehrung
Ihr gehorsamster
F. Böhme.
Autor(en): | Böhme, Ferdinand |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hauptmann, Moritz Pfeiffer, Caroline Pott, August Wigand, Georg Zahn, Emilie |
Erwähnte Kompositionen: | Böhme, Ferdinand : Ouvertüren, Nr. 8 Böhme, Ferdinand : Ouvertüren, Nr. 9 Böhme, Ferdinand : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 1 Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden Spohr, Louis : Jessonda Spohr, Louis : Konzert in Form einer Gesangszene, Vl Orch, op. 47 Spohr, Louis : Die Weihe der Töne |
Erwähnte Orte: | Amsterdam Den Haag Leipzig Rotterdam |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858031840 |
Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Böhme, 04.03.1858. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 05.04.1858.
[1] Nr. 8 (vgl. Vorbrief).
[2] Vgl. „Amsterdam, 13 November“, in: Caecilia <Utrecht> 14 (1857), S. 213.
[3] Vgl. „Tweede Concert, 10 December 1857“, in: ebd., S. 231.
[4] Vgl. „[Op het Elfde Concert der Maatschappij Felix Meritis]“, in: Algemeen Handelsblad 22.02.1858, S. [2]; „Felix Meritis. Elfde Concert, op Vrijdag 19 Februarij“, in: Nieuw Amsterdamsch handels- en effectenblad 27.02.1858, S. [2]; Felix Meritis. Elfde Concert, 19 Februarij“, in: Caecilia <Utrecht> 15 (1858), S. 61.
[5] Vgl. „Amsterdam“, in: ebd., S. 37; „Utrecht“, in: ebd., S. 50.
[6] Hier gestrichen: „müßte“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.10.2020).