Theodor Eisfeld an Louis Spohr in Kassel

Hr. Hof-Capellmeister
Dr. Louis Spohr.
Wohlgeboren.

,
Hochgeehrter Herr!

Eine musikalische Zeitung enthält einen Bericht über alle bedeutenden Evenements, die in künstlerischer Hinsicht im verflossenen Jahre in Europa stattgefunden haben. Darunter einliegende Notiz über Ihren Abschied vom Theater. Was ich zur Zeit in verschiedenen deutschen Zeitungen nicht gelesen hatte, war die dabei stattgefundene Aufführung des Marsches aus: die Weihe der Töne.¹
Die gewiß höchst merkwürdige Coincidence einer fast zu gleicher Zeit stattfindenden Aufführung dieser herrlichen Symphonie in der alten u. neuen Welt, veranlaßt mich Ihnen beiliegendes Programm zu übersenden, hoffend, daß Sie meiner innigen Verehrung diese Dreistigkeit zu Gute halten.² Mit Abzug der 6 Stunden, welche unsere Zeitrechnung mit der Ihrigen differirt, kommen die beiden Aufführungen noch näher zusammen.
In meinem Singverein, Euphonia studiere ich jetzt Ihr Vater unser ein. The last judgement haben wir auch kürzlich gegeben. Ich berühre dies nur, um Ihnen, theurer Meister, zu zeigen, wie eifrig ich bemüht bin, Ihren Schöpfungen immer mehr u. mehr Eingang in America zu verschaffen.
Indem ich schließlich bitte Ihrer lieben Frau Gemahlin meine gehorsamsten Empfehlungen zu übermachen, erlaube ich mir, Sie, an das im verwichenen Sommer halb u. halb gegebene Versprechen, für die New Yorker Philharmonic eine Concert-Ouvertüre zu schreiben³, zu erinnern. Sie würden damit dieser Gesellschaft einen neuen Impuls geben, dieselbe in der Meinung des Publikums erhöhn, und ganz besonders verpflichten,

Ihren
in wahrer Hochachtung
ergebenen
Th. Eisfeld
131 Crosby St.

New York
d. 28sten Febr.
1858.