Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr, L. 36

Sr. Wohlgeborn
Herrn Hofkapellmeister
Reissiger
in
Dresden.
 
 
Cassel den 10ten Februar
1858.
 
Hochgeehrter Freund,
 
Nachdem ich in den Ruhestand gesetzt worden bin, und nicht mehr an der Spitze eines Orchester stehe, und durch den neulichen Unfall und Armbruch1 sogar gezwungen worden bin, auch dem Geigen zu entsagen, giebt es für mich keine andere Musikfreuden mehr, als außerhalb Cassel’s interessante Musikaufführungen aufzusuchen. Und da giebt es denn gar nichts, wonach ich mich so sehne, als Mozart’s einzige Oper, die ich nie Gelegenheit fand, zu hören, Idomeneo! So viel ich weiß, befindet sie sich allein in diesem Augenblick auf dem Repertoir der Dresden’er Hofoper. Dieß veranlaßt mich, an Sie zu schreiben und mich mit der Anfrage an Sie zu wenden, ob wohl zu hoffen sey, daß sie dort um Ostern herum gegeben werde? weil ich in der Charwoche ohnehin eine Reise nach jener Richtung zu machen habe2, die es mir erlauben würde, an dem Tage der Aufführung in Dresden zu seyn. Sie erinnern sich wohl noch, daß ich schon bey meinem letzten Aufenthalt in Dresden sehr auf eine Aufführung der Oper hoffte, daß ich aber unverrichteter Sache abreisen mußte, weil Madame Bürde Nei noch in London verweilte, und ich ihre Rückkehr nicht abwarten konnte. Vielleicht sind wir nun dießmal, meine Frau und ich, glücklicher, und wir dürfen daher wohl inständigs bitten, daß Sie alles thun wollen, was dazu beytragen kann, daß sie für einen der Tage der Osterwoche auf’s Repertoire komme, und daß Sie die große Güte haben wollen, mich zeitig genug darüber in Kenntniß zu setzen!
Sie im Voraus meines herzlichsten Danks versichernd, unterzeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung und Freundschaft ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Reissiger, Carl Gottlieb
Erwähnte Personen: Bürde-Ney, Jenny
Erwähnte Kompositionen: Mozart, Wolfgang Amadeus : Idomeneo
Erwähnte Orte: Dresden
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858021014

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Reissiger an Spohr, 08.02.1853. Reissiger beantwortete diesen Brief am 11.03.1858.

[1] Vgl. „Kurhessen. Kassel, 28. Dec.”, in: Leipziger Zeitung (1857), S. 6483; „Cassel, den 28. December”, in: Neue Berliner Musikzeitung 12 (1858), S. 14; s.a. „Der alte Spohr in Kassel hat beim Ausgleiten auf einer Treppe den Arm gebrochen. Ein Liszt bricht höchstens einen Flügel” (Münchener Punsch 11 (1858), S. 16). 
 
[2] Spohr war zum Jubiläum des Konservatoriums nach Prag eingeladen (vgl. Marianne Spohr, „Dresden, Prag, Alexanderbad. Juli”, in: dies., Reisen im Jahr 1858, Ms., Spohr Museum Sign. Sp. ep. 2.2.17; Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 390ff., dort S. 392 Erwähnung dieses Briefs).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.05.2016).