Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeboren
Herrn General-MusikDirector Dr. Spohr
in
Cassel

fr.1


Dordrecht 3 Jan 1858.

Hochverehrter Herr General Musik Director!

Zu meinen Schrecken erfahre ich eben daß Sie bei einen unglücklichen Falle den Arm gebrochen hätten.2 Wie mich dieses schmerzt und Alles was Ihnen in der letzten Zeit wiederfahren ist, kann ich nicht aussprechen. Müssen Sie theurer, geliebter Mann nun noch so heimgesucht werden, jetzt wo Sie auf Rosen wandeln müßten, wo Ihnen ein jeder Hochachtung Liebe u Dank zollen müßte für Ihr so thätiges Leben, für all das Große Schöne u Herrliche was Sie hervorgebracht u gethan haben? Wie ganz anders dachte ich Ihnen zu schreiben und welche Wünsche hegte ich für Sie – müssen sie nun noch so schwer geprüft werden und so viel leiden! – Es preßt mich das Herz ab u ich kann Ihnen nur mit dürftigen Worten schreiben was ich für Sie fühle u leide.
Daß Sie von den lästigen Theaterdienst erlöst sind der einen Mann wie Sie nur unangenehm und verdrießlich sein kann, dazu kann man Ihnen nur Glück wünschen – nur müßte es mit Ihrer eigenen Zustimmung geschehen sein und in jeder Hinsicht ehrvoll und mit öffentlichen Ehren Beweisen, obgleich Sie auch diese nicht nöghtig haben, denn Ihr Ruhm als Virtuos und Componist hat damit nichts zu thun u ist felsenfest begründet und Ihr Name gehört der Geschichte u der Nachwelt so sehr an, daß solche Begegnisse ihn nur erhöhen können und daß Sie dadurch als Martyr der Kunst erscheinen werden. Aber Ihr eigenes Leiden ist es und nun daß Unglück mit dem Arm was mich so sehr um Sie besorgt macht und auch – sie verzeihen mir Hochverehrter und Geliebter Mann den Ausbruch – Ihre Ungeduld bei solchen Fällen ist es die ich fürchte und die mich mit beängstigt. So flehe ich den gütigen Schöpfer an Alles zu besten zu wenden u Ihnen Ihre eigene Ruhe zu beehrten u Ihre Leiden u Ihren Schmerz so wenig möglich fühlbar zu machen u Ihnen den Gebrauch Ihres Armes und Ihrer Gesundheit schnell wieder zu schenken!
Und wenn ich nun denke wie sehr Frau General-Musikdirector und Alle Ihre Angehörigen dadurch getroffen u betrübt sind, so weiß ich vor Schmerz nicht wieder zu schreiben als daß ich auch tief betrübt bin und daß ich die Größte Theilnahme nehme an Alles was Ihnen wiederfährt.
Mit inniger Rührung sage ich Ihnen noch hochverehrter Herr General-Musikdirector wie groß und unbegrenzt meine Hochachtung u Liebe für Sie ist.

Ihr gehorsamster
F. Böhme

An Frau General-Musikdirector meine ganz herzlichste Theilnahme mit dem Wunsche daß der edlen Frau Muth u Standhaftigkeit immer größer werde.
F.B.

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1858010340

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 16.06.1857. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 14.02.1858.

[1] Unter dem Adressfeld befinden sich zwei Poststempel: „EMMERICH / [OBE]RHAUSEN / 4 1“ und „CASSEL / 4 / 1 / [???]“.

[2] Vgl. „Duitsche Post“, in: Nieuwe Rotterdamsche courant 02.01.1858, S. [2].

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.10.2020).