Fritz Schmidt an Louis Spohr in Kassel

Hochgeehrtester Herr Kapellmeister

Indem wir Alle schon seit sehr langer Zeit nicht die große Freude hatte von Ihnen persönlich Nachricht zu erhalten, beginne ich mein heutiges Schreiben in der Hoffnung Ihres und Ihrer verehrten Frau Gemahlin besten Wohlsein‘s mit einer Bitte, durch deren Erfüllung Sie meinem lieben Dinchen¹ und mir, sowie uns Allen eine ganz außerordentliche, außergewöhnliche Freude bereiten würden. Am 24. September wurde meine Frau von einem Knaben, Gottlob ganz glücklich, entbunden und ist die Taufe unseres lieben kleinen Erstgebornen auf den 23. d. M. festgesetzt; und erlauben wir uns nun ganz bescheiden die Bitte, ob Sie hochgeehrter Herr Kapellmeister uns die Ehre geben möchten, bei dem kleinen Pathenstelle zu vertreten. Bei der hohen Verehrung, die wir schon so lange Jahre für Sie hegen war das Verhältniß, in dem auf solche Weise unser Söhnchen zu Ihnen stehn dürfte, sogleich Lieblings Gedanke bei uns geworden und hoffen wir nun auf die Erfüllung.
In der langen Zeit sind wir stets hier recht fleißig gewesen, bis auf die letzten Monate, wo eben das beglückende Ereignis stattfand; Alles ging sehr, sehr glücklich, Dinchen war bis zum letzten Augenblicke sehr wohl und ist es ebenso jetzt, wie auch der Kleine. Bernhard hat auch recht fleißig mitstudirt, sobald seine Mußestunden ihm solches gestatteten, und sind wir eigentlich was Solosachen anbelangt gänzlich auf Sie und Großpapa Romberg beschränkt, alles Andere genügt nicht; nur Ihrer beider Concerte sind Compositionen für die resp. Instrumente in höchster Vollendung. Ihr 15. Concert² habe ich recht fleißig studirt, weíß es in und auswendig, aber besonders bestand meine letzte Arbeit darin, mir neulich, was ich schon lange entbehrt, eine Klavierstimme zu Ihrem Es dur Concert (N^o 5)³ zu schreiben. es bereitete mir große Freude, das Concert ist gar zu schön, eine Schande daß auf dem Klavier oft die wunderbar schönen Tutti-Sätze gar zu mangelhaft wiederzugeben sind.
Dann haben wir in unserer Academie wo ich als Orchester am Klavier fungire das Oratorium „die letzten Dinge“ beinahe vollends einstudirt und hegen nun allgemein kühnen Wunsch das Oratorium nächstens, wenn sich solches irgendwie mit den Kräften der Casse vereinen läßt, mit Orchester den nächsten Angehörigen ganz privatim, vorzuführen. Wir fürchten aber eben, da ß das Unternehmen am Ende an der für uns zu starken Besetzung des Orchester‘s scheitert und wage ich nicht, Sie zu fragen, ob wir‘s wohl, da die Auffürhung durchaus für uns ist, mit etwas beschränktem Orchester geben könnten. Die Academie zählt 60 Mitglieder und bin ich fest überzeugt, daß unser Dirigen, mein sehr geschätzter Freund D^r Berens mit seiner Gewandtheit und Präzision die Sache gewiß gut leiten wird. Ich komme mir bei solchen Gelegenheiten mit meinem kleinen dünnen Klaviere gegen einen solchen Chorus gar zu schwach vor.
Doch nun muß ich endlich schließen, denn ich fürchte wirklich mit meinen unabläßigen Geschwätz Ihre Geduld auf die Proobe zu stellen, bitte nur noch auch unser Aller besten Empfehlungen an Sie, hochgeehrter Herr Kapellmeister und Ihre verehrte Frau Gemahlin, und bin ich
mit besonderer Hochachtung

Ihr
stets dankbar ergebener
Fritz Schmidt.

¹³/^11. 57.
8. Deichthorstrasse
Hamburg.