Autograf: Bayerische Staatsbibliothek München (D-Mbs), Sign. Schadiana XXII

Sr. Wohlgeboren
Herrn Dr Schad
Rector und Professor
in Kitzingen a/m
oberhalb Würzburg.
 
 
Cassel den 5ten October
1857.
 
Hochgeehrter Herr,
 
Auch mich sprach das 1ste der Lieder des alten Minnesängers so an, daß ich mich gleich darüber machte, es in Musik zu setzen und zwar einfach declamatorisch, welches mir für1 dieses Lied die rechte Weise schien. Indem ich Ihnen dasselbe als Beytrag für Ihren dießjährigen Musenalmanach übersende, hege ich nur die Besorgniß, daß unsere jungen Damen, wegen seines naiv-natürlichen Inhalts, vielleicht sich schämen könnten, es zu singen!
[Um dem zu begegnen, mache ich den Vorschlag, daß in dem Texte, der meiner Komposition untergelegt wird, statt der 3ten und 4ten Strophe, eine 3te in folgender Weise abgeändert werde.2
 
3te Strophe.
Wie ich denn ruhte
Zwischen Rosen
Seelig in seinem Arm war ich.
Wie mich der Gute
Dort that kosen,
Das keiner weiß als er und ich;
Und ein kleines Vögelein
Tandaradei!
Des wird wohl verschwiegen sein.
 
Der Abdruck des Liedes im Almanach könnte dann unverändert bleiben.
Theilen Sie aber meine Bedenken nicht, so mag alles, unabgeändert bleiben!3
Spohr]4
Für die freundliche Übersendung Ihres vorjährigen Almanachs sage ich den herzlichsten Dank und verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung
 
Ihr
ganz ergebener
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Schad, Christian
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Sopr Kl, WoO 126
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1857100517

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Schad an Spohr, 28.09.1857. Schad beantwortete diesen Brief am 07.10.1857.
 
[1] „für“ über der Zeile eingefügt.
 
[2] Der im Folgenden zensierte Originaltext lautet:
„Da ging er machen
uns ein Bette
Aus süßen Blumen mancherlei,
Deß wird man lachen
Noch, ich wette
So Jemand wandelt dort vorbei.
Bei den Rosen er wohl mag,
Tarandaradei!
Merken wo das Haupt mir lag.
 
Wie ich da ruhte,
Wüßt es Einer,
Behüte Gott, ich schämte mich.
Wie mich der Gute
Herzte, Keiner
Erfahre das als er und ich.
Und ein kleines Vögelein,
Tarandaradei!
Das wird wohl verschwiegen sein.“
(vgl. Gedichte Walthers von der Vogelweide, hrsg. v. Karl Simrock und Wilhelm Wackernagel, Bd. 1, Berlin 1833, S. 5).
 
[3] In der Beilage zu Deutscher Musenalmanach 8 (1858) erschienen die vier Originalstrophen. Zu Spohrs Textbearbeitung vgl. auch den kritischen Bericht in: Louis Spohr, Lied Edition, hrsg. v. Susan Owen-Leinert und Michael Leinert, Bd. 12, S. 64.
 
[4] Text in den eckigen Klammern unter der Unterschrift eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.12.2019).