Autograf: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (D-F), Sign. Mus. Autogr. A. Schmitt A 170

Hochverehrtester Freund!

Ihr lieber Brief hat mir eine unendliche Freude bereitet, um so mehr: als ich daraus ersehen habe, daß es Ihnen Freude gemacht hat, daß Ihr Meisterwerk hier so gloriös aufgenommen wurde. Ich war darüber ganz außer mir und bin es noch.
In solcher Zeit, wo das Publikum so irregeführt ist, ist es in der That etwas außerordentliches, das solche unvergleichlichen Werke noch solche Wirkung machen. Beinahe hätte ich gefürchtet, daß die Masse für so Etwas abgestumpft sei. Aber nien, die Empfänglichkeit ist noch da, man reiche derselben nur Gutes. Da Frankfurt stets von so vielen Fremden besucht wird, so ist ein solches Ereignis nicht ohne Bedeutung und Erfolg; Es sagt es dann Einer dem Andern, u. so verbricht sich‘s.
Ich würde nun gleich meinen Einfluß geltend gemacht haben, wegen den Recitativen, aber dieß sei nun für die Folge vorbehalten. Zum Glück geht mein Lob und Tadel hier nicht ganz spurlos vorüber, u. sener Zeit muß Ihr Werk nach Ihrem Wunsche hier gegeben werden. Wird es denn später mit Recitativen gegeben, so hat es einen neuen Reitz für das Publikum, weshalb es dann – wie jetzt – bei vollem Haus gegeben wird. Das Publikum hat sich nun an den Dialog gewöhnt, u. wenn es später gegeben wird, mit Recitativen so wird es einen erhöhten Eindruck machen, u. ich freue mich königlich darauf, schon zum voraus. Vor erst empfangen Sie meinen Herz innigsten Dank für das gütige Interesse, was Sie an meinem Osterfest nehmen.
Von seinem Orte aus muß eine Ansagung zu der von Ihnen u. von unseren Herren vorgezeichneten Richtung ausgehen, widrigenfalls nichts Gutes zu hoffen ist, da die Zukunftsmusiker alles aufbieten, um daß – was ihnen nicht paßt – zu drücken, u. für Zopf u. für veraltet zu erklären, welches die dumme Masse auch glaubt, wenn nichts dagegen gethan wird. In so fern sollte es mich – so wie noch unendlich Viele mit mir – außerordentlich freuen, wenn mein Osterfest dort in Cassel gegeben würde. Zweifelsohne wird der Herr Capellmeister Reiß seiner Seits auch aufbieten, was er kann, damit dieser Zweck erreicht wird, wofür ich ihm von Herzen dankbar wäre. Von dessen ächtem Kunstsinn, erwarte ich es auch. Was nun Ihren Faust betrifft, werde ich thun, was in meiner Macht steht, damit die Ausstattung u. Scenerie reicher wird in Kukunft, welche mänlich eigentlich mager genannt werden kann. Und doch gefiel das Werk so außerordentlich! Ich erkundigte mich nach der Aufführung nach allen Seiten hin, aber es war nur eine Stimme: Alles war entzückt davon, selbst Leute, die sonst halt bei etwas der Art bleiben. Ich Faust macht uns Bahn! Es ist auch Zeit, daß wieder einmal Solches Haltung(???) hat, denn es stand auf dem Punkte, daß die Mode alles beherrschte u das Andere auf die Seite geschoben wird.
So – auf diese Weise - hoffe ich, wird eine Festung nach der Andern wieder erobert (eigentlich arogant) und so die heilige Caecilia die Sache in Schutz nimmt, so ist der Sieg – denke ich – sicher. Nur Wirken u. nicht alles ruhige dahin gehen lassen! und: den günstigen Augenblick wahrnehmen.
Es ist doch entsetzlich, was alle geschieht! Ich habe bemerkt, das man an gewissen Orten manche Opern von Mozart so entsetzlich schnell u. oft hinter einander giebt u mit einer empörenden Nachläßigkeit und vergriffenen Tempis, um – die Werke in Miskredit zu bringen, u. eine Uebersättigung zu bewirken. Dagegen giebt man die neuen Opern mit einer Aufmerksamkeit u. Pracht, daß die Masse dadurch geblendet u. irre geleitet wird, u. irregeleitet wurde, kann ich noch beifügen. Dieser Unfug hat mich schon auf‘s höchste empört. Nun denken Sie sich die Freude, die ich habe, daß Ihr Faust so durch gedrungen ist, u. den Weg zu Besserem bahnt. Mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin besten empfehlend, bin ich u. zeichne mit unaussprechlicher Verehrung Ihr ergebener

Freund Dr. Aloys Schmitt.

Frankfurt den 11ten September 1857.

Autor(en): Schmitt, Aloys
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Mozart, Wolfgang Amadeus
Reiß, Carl
Erwähnte Kompositionen: Schmitt, Aloys : Das Osterfest zu Paderborn
Spohr, Louis : Faust
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1857091145

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schmitt. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schmitt, 16.04.1858, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Schmitt an Spohr erschließen lässt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.04.2018).