Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeboren
Herrn General-Musikdirector Dr. Spohr
in
Cassel

fr.1


Dordrecht 12 Mai 1857.

Hochverehrter Herr General Musik Director!

Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihren lieben Brief und dessen Inhalt, der mich so sehr erfreut und beglückt hat. Nun hoffe ich daß diesesmal Nichts in den Weg kommen wird Ihre Reise nach Holland zu verhindern oder wieder auszustellen!
Wenn Sie hochverehrter Herr General Musik Director noch keinen festen Reiseplan gemacht haben, so möchte ich ihnen anrathen nach Holland die Reise auf einem Dampfboote zu machen, etwa von Düsseldorf oder Köln oder jedem andern am Rheine liegenden Platze, da die Reise ziemlich schnell geht und täglich verschiedene Boote fahren u da im Gegentheil die Reise von hier stromaufwärts langsam und der weniger interessanten Umgebungen des NiederRheins auch sehr ermüdend für Sie sein muß. Ferner mache ich Sie aufmerksam daß es hier in Holland selbst mitten im Sommer besonders Morgens und Abends ziemlich kalt sein kann und Sie eher auch für etwas wärmere Kleider Sorge tragen müssen. Wenn es Ihnen hochverehrter Herr General Musikdirector möglich wäre ohngefähr die Zeit zu bestimmen die sie von Ihrer Ferienzeit für Holland festgestellt haben, so könnte ich bereits einen Reiseplan für Sie entwerfen, den ich natürlich gern Ihrer Entscheidung unterwerfe u der ebenfalls nach Umständen verändert werden kann. In Holland selbst geht das Reisen sehr leicht u schnell, theils durch Eisenbahnen theils durch Dampfboote; auch die Verbindung mit Belgien ist leicht u schnell, da man von hier in etwas 4 Stunden über Antwerpen in Brüssel sein kann.
Es ist mehr denn wahrscheinlich daß man in Amsterdam, dem Haag, Rotterdam pp Ihnen zu Ehren einige Musikpartien veranstallten wird; gern möchte ich darüber Ihre Meinung erfahren und da sich im Sommer wo die hiesigen Orchester ruhen, diese größtentheils auf Quartette, Quintette oder Doppelquatuor-Ausführungen beschränken müßten, wissen, welche Ihrer Werke Sie dafür bestimmen, damit auch ich durch gute Vorbereitung Theil daran nehmen könnte pp.
Daß Ihr großes Oratorium „Des Heilands letzte Stunden“ so zu Ihrer Zufriedenheit ausgeführt ist und außerdem der Musikzustand in Cassel so vielversprechend, freut mich ungemein. Auch hier in Holland ist noch ganz kürzlich und zwar in zwei nicht sehr großen Städten in Zierikzee2 und Zutphen Ihr Oratorium „Die letzten Dinge“ ausgeführt und wie ich höre, sehr glücklich. Auch dieses ist ein sicheres Zeichen Ihrer stets zunehmenden Popularität! Wir hier in Dordrecht wurden vor einiger Zeit durch die Weihe der Töne erfreut, die für mein Liebhaber Orchester natürlich zu schwierig ist u die man hier noch nie gehört hatte. Sie, lieber Herr General Musikdirector würden sich gewundert u gefreut haben über die andächtige Stille u Aufmer[ksam]keit mit der mein Dordrechter Publikum zuhöre u[nd durch] welchen rauschenden Beifall es die recht gute Aus[führung] durch Langenbach’s Orchester von Elberfeld, belohnte.
Indem ich Ihnen nun noch meine große Freude zu erkennen gebe, Sie hier zu sehen und die Reise mit Ihnen durch Holland zu machen, erwarte ich mit Ungeduld Ihre nähere Nachricht darüber u mit noch größerer Ungeduld Ihre Ankunft selbst.
Mich Ihren hochverehrter Herr General-Musikdirector und Ihrer Frau Gemahlin allerbeßtens empfehlend, bin ich mit unaussprechlicher Hochachtung u treuer Ergebenheit

stets Ihr gehorsamer
Ferdin. Böhme

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Antwerpen
Brüssel
Den Haag
Dordrecht
Rotterdam
Zierikzee
Zutphen
Erwähnte Institutionen: Langenbachs Orchester <Elberfeld>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1857051240

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Böhme. Spohr beantwortete diesen Brief am 16.06.1857.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „DORDRECHT / [???]1 / 5 / FRANCO“, links unter dem Adressfeld befindet sich der Stempel „EMMERICH / O[BER]HAUSEN / 15 5“, links über dem Adressfeld der Stempel „CASSEL / 15 / 1[???]7“.

[2] Vgl. „[Men schrijft ons uit Zierikzee van 9 dezer]“, in: Middelburgsche courant 12.05.1857, S. [1].

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.10.2020).