Louis Spohr an Heinrich Szadrowsky in St. Gallen

Sr. Wohlgeboren
Herrn Musikdirector
Sczadrowsky
in
St. Gallen in
der Schweiz.

franco.


Cassel den 30^ten März
1857.

Hochgeehrter Herr,

Es freut mich mehr, als ich es sagen kann, daß es Ihnen, durch richtiges Verständniß und fleißiges, gewissenhaftes Einüben meines Werkes „Die Weihe der Töne”, gelungen ist, dasselbe mehr zur Geltung zu bringen, als dieß bisher in manchen deutschen Hauptstädten der Fall war, wo die Dirigenten über berühmte Kapellen zu verfügen hatten, aber wegen Mangel an Einsicht und Fleiß beym Einüber nicht zu reüssiren vermochten! Es gereicht dieß Ihnen zu großer Ehre und ich gratulire von Herzen dazu!
Besonders freut es mich auch, daß Sie den letzten Satz durch Befolgen meiner Andeutung die rechte Wirkung abzugewinnen gewußt haben, weil nur dadurch dem Ganzen ein befriedigender und beruhigender Schluß gegeben wird! Ich hoffe, daß dieser günstige Erfolg Ihren Lust machen wird, mehr meiner größeren Werke einzuüben, und Ihrem Publiko vorzuführen, und werde gern, wenn Sie dessen bedürfen, dazu mit Rath zu helfen suchen. Vielleicht kann dieß auch dazu dienen, Ihr Publikum vor der verderblichen Geschmacksrichtung zu bewahren, welche ihm die sogenannte Zukunftsmusik, vor der Sie hie manches bereits aufgetischt haben¹, wie ich aus Ihrem Programmen ersehe, ohnfehlbar bereiten wird, wenn diesem Unwesen, welches alle Musik zu vernichten, geeignet ist, nicht bald durch entschiedenes Entgegentreten der ächten und gebildeten Künstler ein Ende gemacht wird!
Schließlich sage ich Ihnen noch den besten Dank für die freundliche Zusendung alles dessen, was sich auf die dortige Aufführung meines Werkes bezieht.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr
ergebener Louis Spohr