Heinrich Szadrowsky an Louis Spohr in Kassel

St Gallen, 3 März
1857

Hochverehrter Meister!

Sonntag den 1 März habe ich in unserm ii ten Abonements-Konzerte Ihre herrliches unsterbliches Werk „Die Weihe der Töne” zur Aufführung gebracht. Die Ihnen unter Kreuzband¹ am Samstag zugesandten Programme nebst dem Abdruck der mir höchst gnädig zugeschickten englischen Kritik werden Sie erhalten haben. Das Werk hat hier, wie auch vorauszusehen und nicht anders zu erwarten war, einen prächtigen Eindruck gemacht. Ich meinerseits habe es mit Fleiß und Gewissenhaftigkeit einstudirt und ließ es an Proben hirzu nicht fehlen. Die Wirkung des letzten Sazes (Trost in Tränen) in einem ruhigen würdevollen Tempo ist unbeschreiblich. Leider hörte ich diesen Saz immer ziemlich rasch – ich nahm denselben besonders auf Ihre Andeutungen hier ziemlich langsam, natürlich ohne ihn deswegen zu schleppen, bei einigen Stellen mäßig steigend(?) und es ist mir erst in diesem Tempo die hohe Bedeutung und die ganze Kraft des herrlichen Stückes aufgegangen. Seit Sonntag bildet dieses Werk eine Nummer meiner kleinen Partiturenbibliothek. Es ist Hoffnung vorhanden, daß nach Schluß der Konzerte noch ein extra Konzert sein wird, in welchem ich die „Weihe der Töne” wiederholen werde. Die erscheinenden resp. Kritiken werde ich Ihnen durch Kreuzband zusenden. Noch eine Bitte habe ich an Sie, verehrter Meister: um einige Worte von Ihrer Hand auf ein Blatt, behufs Einklebens in meine Partitur der Weihe der Töne, oder auf nur um ein Motif aus dem Werke, zur Erinnerung an die nur unvergeßliche Aufführung desselben.
Genehmigen Sie den Ausdruck meiner größten Hochachtung

Ihr
ergebenster
Heinrich Sczadrowsky