Autograf: Gloucestershire Archives Gloucester (GB-GLr), Sign. DY3/15022GS (Two centuries of music – The annals of the Music-meeting of the three choirs, Bd. 4, Nr. 124)
Druck 1: noch nicht identifizierter Auktions- oder Antiquariatskatalog (engl. Übersetzung; eingeklebt in dem Band, in dem sich auch das Autograf befindet)
Druck 2: H. Diack Johnstone, „Treasure Trove in Gloucester. A Grangerized Copy of the 1895 Copy of Daniel Lyson’s History of the Three Choirs Festival“, in: Royal Musical Association Research Chronicle 31 (1998), S. 1-90, hier S. 70f.
Inhaltsangabe: ebd., S. 40

Mr. Julius Benedict
2, Manchester Square
London.1


Cassel den 30sten December
1856.

Hochgeehrter Herr und Freund,

Ich habe nur ein Vater-Unser für gemischten Chor geschrieben; es muß also dasselbe seyn, welches bereits in Norwich gegeben ist. – Es bleibt allso nur die Hymne an Gott. Der Partitur von diesem Werke ist ein recht guter englischer Text unterlegt worden, leider fehlt er aber unter den in Deutschland gestochenen Chor Stimmen. Sonst wäre es am Einfachsten, sämtliche Stimmen2 in der nöthigen Anzahl beym Verleger zu nehmen. So werde ich aber doch wohl die Gesangstimmen aus der Partitur schreiben lassen müssen, damit ihnen der englische Text unterlegt werde. Diese Hymne ist noch ganz unbekannt in England, sie wurde auch noch nicht in London gegeben. Sie eignet sich sehr für eine zahlreiche Besetzung und macht mit einer solchen einen imposanten Efeckt. Sie besteht aus einem Chor, einer Sopran-Arie mit Chor, kurzen Rezitativ für Baß, dann einem ziemlich ausgeführten Duett für Alt und Tenor; dann folgt ein Quartett für die 4 Solostimmen und das Ganze schließt wieder mit einem Chor, dem sich eine Gesangfuge anreihet.
Ich werde das Werk in der, von Ihnen bezeichneten Anzahl von Chor und Orchesterstimmen schreiben lassen und in einigen Monathen an Sie absenden können. Was die Abschrift kosten wird, läßt sich jetzt noch nicht gut berechnen, jedenfals wird aber hier billig geschrieben, der Bogen für 2 ½ Silbergroschen.
So viel ich weis, ist von meiner Instrumental-musik noch nichts bey den Festen in Norwich gegeben worden; hat das Comitée nicht Lust eine von meinen Sinfonien in den Abendconcerten zu geben, oder wenigstens eine der Ouverturen? Sollten die Stimmen dazu nicht aus London geborgt werden können, so könnte ich sie ebenfals in der nöthigen Anzahl bey dem3 Verleger der Werke entnehmen und mitsenden. Wenn ich nicht irre, ist die 9te meiner Sinfonien, genannt „Die Jahreszeiten“ noch nicht in England gegeben worden; diese wird sich dann wohl am besten eignen. Ich sehe hierüber einer gefälligen Antwort entgegen.
Noch muß ich Ihnen melden, daß der bisherige 2te Kapellmeister Bott bey unserem Hoftheater abgegangen ist, jetzt eine Kunstreise in Deutschland macht, und zur nächsten Saison nach London kommen wird. Da Bott früher mein Schüler, einer der ersten, der jetzt lebenden Geiger ist, so mögte ich das Committée auch auf ihn als Solospieler aufmerksam machen: er würde eine der Hauptzierden der Abendconcerte seyn können.
Soeben sagt meine Frau, die diesen Brief bis hieher durchgelesen hat, sie glaubt von Moscheles gehört zu haben, daß auch meine Hymne an Gott bey einem der Norwicher Musikfeste bereits gegeben4 worden sey.5 Sollte dieß der Fall seyn, so würden sich wahrscheinlich die Chor- und [Orche]sterstimmen6 dieses Werkes in Norwich [vo]rfinden. Ich werde daher erst eine Antwort von Ihnen abwarten, bevor ich hier etwas zum Schreiben gebe.
Und nun leben Sie wohl und behalten Sie in freundlichen Andenken

Ihren
ergebenen
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Benedict, Julius
Erwähnte Personen: Moscheles, Ignaz
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Gott du bist groß, op. 98
Spohr, Louis : Die Jahreszeiten, op. 143
Spohr, Louis : Vater Unser, WoO 67
Erwähnte Orte: Norwich
Erwähnte Institutionen: Norfolk and Norwich Triennial Festival
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856123014

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Benedict an Spohr, 15.12.1856. Benedict beantwortete diesen Brief am 21.01.1857.
Das Autograf ist mit vielen anderen Autografen, Stichen und anderen Einlagen in ein auseinandergenommenes Exemplar eingefügt von Daniel Lyson, Origin and Progress of the Meeting of the Three Choirs of Gloucester, Worcester & Hereford, and of the Charity connected with it, 3. Aufl., Gloucester 1895. Dabei sind die thematisch zusammengehörenden Einlagen jeweils mit einer gemeinsamen Nummer versehen (im Falle dieses Autografs auch ein Porträt-Stich von Spohr [London: Pinnock 1824] und der Ausschnitt aus einem noch nicht identifizierten Auktions- oder Antiquariatskatalog).

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / [3]0 / 12 / 1856 / 3-4“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags die Stempel „WARBURG / 31 12 / DÜSSELDORF“ und „FD / [???] IA 2 / 1857“.

[2] „Stimmen“ über der Zeile eingefügt.

[3] „dem“ über gestrichenem „einem“ eingefügt.

[4] „ben“ über der Zeile eingefügt.

[5] Wohl die Aufführung beim Musikfest in Hereford am 15.09.1852 (vgl. Druck, S. 40).

[6] Textverlust durch Siegelausriss.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.06.2023).