Carl Greith an Louis Spohr in Kassel

Hochverehrter Meister,
Herr General-Musikdirector!

Inden¹ ich es wage, Ihnen meine Arbeit vorzulegen, gestehe ich offen, daß ich den Muth nicht hätte, eine Bitte daran zu knüpfen, wäre es nicht Ihr günstiges Urtheil, durch Ihren früheren Collegen J. Bott mir im Anfange laufenden Jahres vermittelt, welches mich gewissermaaßen dazu ermuntert.
Herr Bott, an welchen ich schon im vorigen Jahre die Partitur meiner Symphonie eingesandt, schrieb mir nach Verfluge einiger Monate zurük, daß Sie dieselbe werth gehalten hätten, in das Repertoir der Concerte einzureihen, wäre diesem Vorhaben der Umstand nicht hinderlich entgegen getretten, daß in dem damaligen Concert Cyclus schon zwei Symphonien junger Autoren zu Gehör gebracht worden waren.
Wenn ich nun noch beifüge, daß Herr J. Bott so freundlich war, mir die Anwartschaft auf die jezige Concertsaison zu eröffnen, so geschieht dieß nur, um die gegenwärtige Einsendung, welche als von einem Unbekannten herrührend, in Ihren Augen unbescheiden erscheinen könnte, etwas zu entschuldigen. Ich gebe somit der angenehmen Hoffnung ganz Raum, daß der grosse Meister des Kunstjüngers Gruß nicht unfreundlich aufgenommen.
Erlauben Sie mir nun, meine ergebene Bitte dahin auszusprechen, Sie möchten meine Symphonie, halten Sie dieselbe einer Aufführung werth, im Laufe dieses Winters in einem der Concerte zu Gehör zu bringen, und mir dadurch die unschätzbare Gelegenheit gewähren, durch mündliches Besprechen u. Anhören recht vieles zu lernen.
Indem ich Sie, hochverehrter Meister, wegen meines unbekannt Escheinens² nochmals um Entschuldigung bitte, bleibe ich

Hochachtungsvoll
Ihr
ergebenster
Carl Greith.

Frankfurt ^aM. d. 18^ten Sept. 56.
grosse Bokenheimer Gasse 30.