Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

An den Herrn General-Musikdirektor
Herrn Dr. Louis Spohr.
Wohlgeboren
in
Cassel.

frei.1


Berlin, den 10. August 1856.

Hochgeehrter Herr General-Musik-Director!

Die schönen Tage in Wernigerode2, welche ich in Ihrer Gesellschaft zu erleben das Glück hatte, bilden den Glanzmoment meiner diesjährigen Vergnügungsreise. Meine Frau kam mir bis Erfurt entgegen. Ueber Weimar und Leipzig gingen wir nach Berlin, wo wir gestern eintrafen, um im Familienkreise noch einige Tage zuzubringen. Auf Ihr mir unschätzbares Wohlwollen bauend, habe ich, um keine Zeit zu verlieren, von hier aus meine Bewerbung um die zweite Kapellmeisterstelle in Cassel an Herrn v. Heeringen abgehen lassen.3 Ihr gütiges Versprechen und der große Einfluß, den eine Autorität, wie die Ihrige, hochverehrter Herr Doctor, auf die Besetzung jener Stelle ausüben muß, erfüllt mich mit einiger Hoffnung, meine Wünsche nach einem größeren und küstlerischen Wirkungskreise, unter Ihrem anregenden Einflusse, in Erfüllung gehen zu sehen. Die Versicherung darf ich Ihnen geben, daß Sie keinen wärmeren Verehrer und Anhänger finden dürften, sobald mir das Glück zu Theil würde, die Mühen des Amtes Ihren erleichtern zu können.
Ich habe dem Intendanten, Herrn v. Heeringen, die Mittheilung gemacht, daß ich bereit bin, mich jeder Probe meiner Fähigkeit als Dirigent an Ort und Stelle zu unterwerfen. Sie waren so gütige, mir eine Aufführung meines Oratoriums im künftigen November zuzusagen. Wenn es gewünscht würde, daß ich um diese Zeit zur Probe eine Oper oder ein Conzert in Cassel dirigirte, so würde ich mit Vergnügen eine Reise zu Ihnen machen. Ueberhaupt stelle ich mich zu jeder beliebigen Zeit zur Disposition. Sogleich nach meiner Ankunft in Danzig – ich werde in 8 Tagen daselbst eintreffen – werde ich mich beeilen, Partitur und Stimmen meines Werkes Ihnen einzusenden. Hoffentliches Wohlwollen, Herr Doctor, erhalten und meiner Bewerbung um die Kapellmeisterstelle etwas förderlich sein. Vor allen Dingen aber wird dazu Ihre einflußreiche Fürsprache erforderlich sein. Um diese bitte ich hiermit herzlich und vertrauungsvoll, mit der Versicherung, daß die Realisirung meines innigen Wunsches, in Ihrer Nähe und unter Ihrer unmittelbaren Führung leben und für die Kunst wirken zu dürfen, mich unmeslich(???) beglücken würde. Verzeihen Sie die Flüchtigkeit dieser Zeilen, welche in der Dringlichkeit des Augenblicks abgefaßt sind und empfehlen Sie mich Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin auf das angelegentlichste. Indem ich einer gefälligen Benachrichtigung über den Stand der Dinge in Cassel sobald als möglich entgegensehe, gestatten Sie mir, hochverehrter Herr Doctor, mich zu nennen in unbegränzter Verehrung und Hochachtung

Ihren ganz ergebensten
FWMarkull.

Autor(en): Markull, Friedrich Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Heeringen, Josias von
Markull, Emma
Erwähnte Kompositionen: Markull, Friedrich Wilhelm : Das Gedächtnis der Entschlafenen
Erwähnte Orte: Erfurt
Kassel
Leipzig
Weimar
Wernigerode
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Sängerfest <Wernigerode>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856081044

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Markull an Spohr, 31.03.1852. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „[B]ERLIN / 10 / 8 / 7-8 A.“.

[2] Zum Sängerfest in Wernigerode vgl. „Wernigerode“, in: Neue Zeitschrift für Musik 45 (1856), S. 79; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 375f.

[3] Bewerbung um die Position des zweiten Kapellmeisters am Hoftheater in Kassel in Nachfolge des entlassenen Jean Joseph Bott (vgl. Spohr an Ferdinand Böhme, 12.06.1856; „Herr Capellmeister Bott in Cassel”, in: Signale für die musikalische Welt 14 (1856), S. 304; „Ueber die Bott-Angelegenheit”, in: ebd., S. 340).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.01.2022).