Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
München d. 23 Juny 56.
Hochverehrter Meister und Freund!
Eben lese ich in den Blättern, daß sich der Abgang Botts bestätige.1 Wenn dem so ist, wird an eine Wiederbesetzung dieser Stelle gedacht werden. So nehme ich mir die Freyheit Ihrer Aufmerksamkeit auf Moritz zu lenken, und Ihr mir so oft bewiesenes Wohlwollen für ihn in Anspruch zu nehmen. Wenn bey dieser wohl vorzugsweise auf Erfahrung u. Tüchtigkeit Rücksicht genommen wird, und daß der zu wählende neben der vollständigen Befähigung auch Ihnen zu Stütze diesen, so glaube ich, daß sich diese Eigenschaften vollkommen in Moritz vereinigt finden dürften. Durch Hauptmann weiß ich, daß er sich im vorigen Jahre bey Gelegenheit der Aufführung seiner Oper in Leipzig den Ruf eines sehr guten Dirigenten erworben2, u. das dasige Orchester allgemein den Wunsch ausgesprochen hat, ihn zum Kapellmeister zu erhalten. An der alten klassischen Musik ist er erzogen er ist aber nicht minder bewandert in der modernen Oper bis zum Modernsten, und dem neuesten Teufelszeug. Den R. Wagner hat er mir auswendig vorgespielt.
Sollte bey fraglicher Besetzung wirklich auf M. reflektirt werden, so würde er keinen Anstand nehmen, wenn es verlangt würde, einer Probe sich zu unterziehen.
Ich könnte wohl noch Manches anführen was zu seinen Gunsten sprechen und ihn den Vorzug vor Vielen seines Faches einräumen dürfte, aber das Urtheil eines Vaters könnte partheiisch erscheinen, und wiederhole nur meine inständigste Bitte: Schenken Sie ihm Ihr geneigtes Vertrauen, er wird sich dessen nicht unwürdig zeigen.
Genehmigen Sie die Versicherung meiner unbegränzten Verehrung mit der ich mich nenne
Ihr
ergebenster Diener
FranzHauser
Autor(en): | Hauser, Franz |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bott, Jean Joseph Hauptmann, Moritz Hauser, Moritz Wagner, Richard |
Erwähnte Kompositionen: | Hauser, Moritz : Der Erbe von Hohenegk |
Erwähnte Orte: | Leipzig |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Kassel> Stadttheater <Leipzig> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856062343 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hauser an Spohr, 27.07.1849. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hauser, 15.07.1857.
[1] Vgl. „[Das vielfach verbreitete Gerücht]“, in: Neue Zeitschrift für Musik 45 (1856), S. 10; „Herr Capellmeister Bott in Cassel“, in: Signale für die musikalische Welt 14 (1856), S. 304; „Rundschau“, in: Rheinische Musik-Zeitung 7 (1856), S. 199f., hier S. 199; „Cassel“, in: Süddeutsche Musik-Zeitung 5 (1856), S. 183.
[2] Vgl. „Leipzig“, in: Neue Zeitschrift für Musik 42 (1855), S. 251, 259f. und 270f.; „Der Erbe von Hohenegk“, Signale für die musikalische Welt 13 (1855), S. 185f.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.12.2022).