Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr, L. 35
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, S. 146, Anm. 3 (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Kammerbaumeister
Wilhelm Spohr
in
Braunschweig.
 
 
Cassel den 3ten Juni
1856.
 
Lieber Wilhelm,
 
Der norddeutsche Sängerbund, welcher den 19, 20, und 21sten Juli in Braunschweig sein 25jähriges Jubiläum durch ein Gesangfest feiern wird1, hat mich auf freundliche und dringende Weise eingeladen, demselben bey zu wohnen.2 Da ich nun ohnehin dem Rechtsanwalt Haushalter in Wernigerode, der der Geschäftsführer der neuen Mozartsstiftung ist, einen Besuch, vom 20sten Juli an, zugesagt habe3, und er mit seiner Liedertafel ohne Zweifel ebenfals dem Braunschweiger Feste beywohnen wird, so läßt sich das recht gut mit einander vereinigen, und ich werde der Einladung daher Folge leisten. Wir, Marianne und ich haben daher die Absicht, am 18ten Juli abends in Braunschweig einzutreffen und die Tage des Festes dort zu verweilen. Die 3 Herren, welche die Einladung unterzeichnet haben, Grassau, Fricke und Schmidt, sind mir sämtlich unbekannt, und haben weder ihren Beruf, noch ihre Wohnungen angegeben. Ich bin daher verlegen, wie ich ihnen antworten soll, und bitte Dich, es in meinem Namen mündlich zu thun, da Du einen von ihnen leicht wirst erfragen können. Sage daher, daß ich ihre freundliche Einladung gern annehme, es aber ablehnen müsse, in das Musikkomité zu treten und an der Leitung Antheil zu nehmen, da meine vorgerückten Jahre eine solche Anstrengung nicht mehr erlauben.
Da August seine geräumige Wohnung wahrscheinlich aufgegeben hat, überdieß wohl schon zu seinem Schwiegersohn4 nach Schlesien abgereist seyn wird, und du sehr beschränkt wohnst, so wird es am besten seyn, wenn wir dießmal die wenigen Tage in einem Gasthause abtreten. Habe daher die Güte, mir eins zu bezeichnen, was nicht zu weit entfernt von Euerer Wohnung und dem Lokale des Gesangfestes5 liegt, denn das Gehen wird mir jetzt sehr sauer!
Von Rosalie haben wir, seit sie mir aus München schrieb6, weiter keine Nachricht, und wissen daher nicht, wo sie sich jetzt mit ihrem Gemahl7 befindet. Es würde uns eine große Freude seyn, wenn wir sie in Braunschweig träfen!
Die erste Hälfte der dießjährigen Ferienzeit werde ich zu einer Reise nach Holland ve[r]wenden. Marianne kennt das sonderb[are] Land noch nicht, und ich finde d[ort eine] Menge alter Bekannter, deren Wieders[ehen] nach langer Zeit mich interessiren w[ird.]
Lebe wohl! Herzliche Grüße von uns allen an deine liebe Ida!
 
Dein Dich liebender
Bruder Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Spohr, Wilhelm
Erwähnte Personen: Blomeyer, Wilhelm
Fricke, Theodor
Grassau, Ernst Wilhelm Theodor
Haushalter, Carl
Sauerma, Xaver von
Schmidt, Martin (Braunschweig)
Spohr, August
Spohr, Marianne
Spohr, Rosalie
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Braunschweig
Erwähnte Institutionen: Liedertafel <Wernigerode>
Mozartverein <Gotha>
Norddeutscher Sängerbund
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856060300

Spohr



Der letzte belegte Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 06.06.1855.
 
[1] Das Musikfest war gleichzeitig ein Beitrag zu Braunschweigs 1000-Jahr-Feier (Theodor Gassmann, Zur Erinnerung an die Tausendjährige Jubelfeier der Stadt Braunschweig, Braunschweig 1861, S. 8).
 
[2] Ernst Wilhelm Theodor Grassau an Spohr, 14.05.1856.
 
[3] Spohr an Carl Haushalter, 29.05.1856.
 
[4] Wilhelm Blomeyer, zu dieser Zeit Gutspächter in Zembowitz.
 
[5] Hier gestrichen: „entfernt“.
 
[6] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
 
[7] Xaver von Sauerma.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.08.2017).