Autograf: Stanford University Music Library (US-STum), Sign. MLM 979E

Cassel den 18ten Mai
1856.
 
Hochgeehrter Herr,
 
Obgleich ich mich der, mit Ihnen vor so langen Jahren geführten, Correspondenz nicht mehr erinnere, so habe ich doch mit großer Theilnahme aus Ihrem geehrten Schreiben ersehen, daß Sie damals bey der Wahl eines andern Berufs, die Musik nicht verbannt und vernachlässigt haben und noch immer in deren Ausübung Ihr[er] heitersten Erholungsstunden finden. Au[ch] geben die, mir zur Ansicht geschickten Kompositionen vollgültiges Zeugniß, daß Sie damals auch Ihre Musik-Studien nicht bey Seite gelegt haben, denn gege[n] die Form und Correktheit der vorliegenden Sachen läßt sich nichts Wesentliches einwenden. Besonders haben mir die 4stimmigen Männergesänge gefallen und ich glaube, daß Sie für diese Kunstgattung vorzugsweise begabt sind. Die Clavierkompositionen haben mich in Bezug auf Erfindung weniger befriedigt, und scheinen mich nicht im Niveau dessen, was in neuerer Zeit, besonders seit Mendelssohn, in dieser Kunstgattung geleistet worden ist.
Indem ich Ihnen für die freundliche Gabe der beyden gestochenen Werke meinen besten Dank sage, sende ich die Manuscripte beyfolgend zurück, und verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung
 
Ihr
ergebener
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Henkel, Georg Andreas
Erwähnte Personen: Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856051814

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Henkel, 08.06.1842.
[Ergänzung 18.06.2020: Obwohl der Adressat dieses Briefs nicht angegeben ist, lässt er sich aus einem Hinweis von Wolfgang Plath ergänzen, demnach am 21.12.1921 bei Sotheby von Spohr „3 autogr. Briefe an G.A. Henkel (1842 und 1856)“ aus dem Besitz von „Miss A.F. Henkel“ versteigert wurden (vgl. „Mozartiana in Fulda und Frankfurt“, in: Mozart-Jahrbuch (1968/70), S. 333-386, hier S. 340; nachgedruckt in: ders., Mozart-Schriften. Ausgewählte Aufsätze, Kassel 1991, S. 131). Bei diesen drei Briefen dürfte es sich neben diesem Brief um die heute ebenfalls in Stanford vorhandenen Briefe vom 14.03.1842 und 08.06.1842 handeln.]

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.05.2017).