Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochzuverehrender Herr!

Ihrer freundlichen Zuschrift vom 19. Juni v. J. eingedenk bin ich immer noch guter Hoffnung hinsichtlich meiner in Ihren Händen befindlichen Oper: „Aladin,“ obschon mir immer noch eine definitive Entscheidung ermangelt; aber das ist ja eben das Gute im menschlichen Leben, daß man immer eher auf Günstiges als auf Ungünstiges hofft. Der Zweck dieser Zeilen ist auch nicht der, Euer Wohlgeboren um ein bestimmtes Resultat zu drängen, indem ich der sicheren Ueberzeugung bin, daß ich zur nächsten Zeit dieses gewiß erfahren werde, sondern einzig und allein möchte ich Sie nochmals bitten, einen Wink Ihres freundliches Schutzes stets sich1 erfreuen zu lassen. Vielleicht könnte das nächste Geburtsfest Sr K. Hoheit des Kurfürsten eine günstige Gelegenheit für die Aufführung werden? –
Wie ich kürzlich gelesen, so hätte Kapellmeister Gustav Schmidt in Frankfurt a/m einen Ruf nach Schwerin erhalten.2 Wenn dem so wäre, würde ich geneigt sein dessen Stelle in Frankfurt anzunehmen, wo ich durch Ausführung größerer Kompositionen, unter dem seligen verdienstvollen Guhr, schon vortheilhaft bekannt bin. Wenn ich mich einer Empfehlung von Euer Wohlgeboren an die Theaterdirektion dort zu erfreuen haben dürfte, so hätte ich freilich leichtes Spiel und ich würde Sie daher recht sehr bitten, wenn es Ihnen möglich wäre, dieses zu thun. Zugleich empfehle ich Ihnen, sollten Sie einmal Geiger an Ihrer Hofkapelle bedürfen, meinen Sohn als solchen, welcher jetzt an hiesiger fürstlichen Hofkapelle angestellt ist, Sie würden mit ihm gewiß zufrieden sein.
So hätte ich Ihnen nun denn schon wieder eine neue Last aufgebürdet! Sie werden sie aber entschuldigen in meinem unbegränzten Vertrauen auf Ihre mir stets in alle Fällen bezeigten Freundschaft und Gefälligkeit, welche zu allen Zeiten in dankbarster Anerkennung fortleben werden in dem Gedächtnisse
Ihres

Sie stets hochverehrenden und in vollkommenster
Hochachtung verbleibenden
ergebensten
GWichtl

Löwenberg in Schlesien
18. April 56.

Autor(en): Wichtl, Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Guhr, Carl
Schmidt, Gustav
Schmitt, Georg Alois
Wichtl, Rudolph
Erwähnte Kompositionen: Wichtl, Georg : Aladin
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Schwerin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1856041844

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Wichtl, 19.06.1855. Spohrs Antwortbrief vom 26.04.1855 ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] „sich“ über der Zeile eingefügt.

[2] Wichtl verwechselt offensichtlich den Frankfurter Kapellmeister Gustav Schmitt mit dem Frankfurter Georg Alois Schmitt, der im Folgejahr seine Stelle in Schwerin antrat.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.06.2022).