Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Soenderop:2

Pyritz 25 November
1855.

Hochverehrter Herr Kapellmeister.

Nehmen Sie meinen wärmsten Dank entgegen für die Besorgung des Violinbogens. Ihr Brief soll ein Andenken bleiben mir und meiner Familie, ein achtjähriger Sohn Hermann wird begreifen lernen, welchen besonderen Werth der Bogen für ihn haben muß, den der Meister in der Hand gehalten nach dessen Schule er unterrichtet wird.
Sie haben mich kühn geacht. In Bezug auf den Bogen wußten wir wenigstens Cassel als Quelle, ich freue mich, daß ich mich an Sie gewendet habe. Desto mehr Schwierigkeiten macht uns die Violine. Der Junge hat bald nach dem 6ten Jahre den Unterricht begonnen, und – körperlich eignete er sich dazu – gleich mit einer ¾ Geige angefangen, welche aus Stettin von C.H. Grimm [???].
Sie verlangen in Ihrem Werke daß der Schüler, wenn irgend möglich, gleich eine gewöhnliche Violine nehme. Um so mehr rieth ich dem Lehrer, eine solche zu beschaffen, als mein Sohn vollkomen groß genug ist, um sie führen zu können. Wir haben nun verschiedene Instrumente jetzt zur Auswahl hier. 3 von Grimm aus Stettin, 1 aus hiesiger Gegend, vermutlich ein altes Familienstück, nach dem Gekritzel auf das Hinterste schon 1802 im Besitze eines Herrn von Eisestaedt(???) gewesen, - aber schlecht behandelt, zwischen Hals und Griffbrette Zuckerkistenholz1, augenscheinlich einer Cigarrenkiste entlehnt, u.s.w. Der Lehrer sagt dennoch, diese letztere sei besser, als alle andern, namentlich die von Grimm; sie müsse aber erst aptirt2 werden.
Verlangt werden 30 Rth., vielleicht ist sie für 20 Rth. zu haben.
Herr Kapellmeister, verzeihen Sie mir die Frage, kann ich durch Ihre Vermittlung nicht auch eine Geige für meinen Sohn erhalten, eine Violine, die werth ist, daß Sie sie empfehlen ein Instrument das bezüglich des directen Eigenthumsüberganges denselben Autor hat als der Bogen?
Den Bogen aber haben wir von Ihnen! -
Ich bin grade nicht bemittelt, ich wende aber an meine Kinder, was ich grad kann. ich würde es möglich machen, die Violine auch noch theurer zu erwerben, als es mit der aus Stettin(???) der Fall ist.
Es bedarf nur Ihrer geneigten Äußerung; kann ich den verlangten Preis erschwingen, so sende ich ihn vor Zusendung der Violine ein.
Gott erhalte Sie; lernt mein Sohn etwas tüchtiges, so soll er sich selbst persönlich bei Ihnen bedanken, und dann kome ich wohl mit, um Ihnen zu sagen, was ich jetzt schreibe, daß ich mit der größten Hochachtung bin

Ihr
aufrichtiger
Verehrer
Sönderop.

Autor(en): Sönderop, Gustav
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Grimm, C.H.
Sönderop, Hermann
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855112517

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Söderop. Spohrs Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1]Zuckerkistenholz. Ein blaßbraunröthliches schweres, aber schwammiges Holz, mit durcheinanderlaufenden Fasern, von dem die Kisten gemacht werden, in denen der brasilianische Zucker kommt. Man benutzt es hin und wieder zu Tischlerarbeiten“ (Allgemeines deutsches encyclopädisches Handwörterbuch oder wohlfeilstes Taschen-Conversations-Lexikon für alle Stände, Bd. 36, Augsburg 1831, S. 5660).

[2]aptiren, I. anpassen, anbequemen, zurecht machen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 40).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.04.2020).