Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Wilhelm Stahl, Gottfried Herrmann (= Sammlung musikwissenschaftlicher Einzeldarstellungen 17), Leipzig 1939, S. 37 (teilweise)

Hochwohlgeborner Herr,
Hochverehrtester Freund!

Als wir im verflossenen Sommer das große Vergnügen hatten, Sie mit Ihrer Frau Gemahlin in unserer Mitte zu sehen, werden Sie wohl bemerkt haben, daß wir glücklicherweise nicht in Hoffnungslosigkeit, wohl aber in sehr guter Hoffnung lebten. Es hat sich glücklich bewährt u. ist es uns am 11. d. M. ein gesundes kleines Mädchen1 geschenkt worden. Wenn wir, ich u. meine Frau2 es wagen, Ihnen, Hochverehrtester, eine große Bitte vorzulegen, so geschieht es bloß im Vertrauen auf Ihre geehrte u. so oft erfahrene Güte u. Gewogenheit, indem wir Sie inständigst und freundlichst bitten, bei dem kleinen Ankümmlinge eine Pathenstelle gütigst mit übernehmen zu wollen. Werden Sie aber auch nicht ungehalten darüber seyn? – Ich u. meine Frau konnten dem Drange u. den Wünschen unserer Herzen nicht wiederstehen u. uns der angenehmen Hoffnung hingeben, daß Sie gewogentlichst „Ja“ dazu sagen möchten, erlauben wir uns, Ihnen den zur Taufe der Kleinen bestimmten Tag, den bevorstehenden 15ten November, als am Geburtstage meiner Frau anzugeben u. sehr erwartungsvoll Ihrer geneigten Antwort, nebst Angabe Ihrer vollständigen Vornamen entgegen. – Zugleich wage ich es auch, Sie wiederholt zum Beschützer u. Förderer meiner geistigen Kinder anzurufen u. erlaube mir die Frage, wie es wohl mit meiner Oper „Toussaint l’Overture“, die das Glück hatte Ihren für mich so hochwichtigen Beyfall zu erringen, steht. Ich bin fest überzeugt, daß Sie alles zu meinen Gunsten gestalten werden, wenn nicht zu unüberwindliche Schwierigkeiten aufsteigen, eine Aufführung in Cassel zu ermöglichen, was für mich von höchsten Bedeutung seyn u. zu Förderung der Oper erheblich beytragen müßte. – Seyd einigen Wochen ist unser Theater in regstem Gange u. werde ich allernächst daran gehen, Ihre herrliche Jessonda bestmöglichst einzustudiren. Meine Thätigkeit wird jetzt freilich wieder im höchsten Grad in Anspruch genommen, wobey es aber dennoch kaum möglich wird den jetzigen Anforderungen des Publicums zu genügen u. das Unternehmen ehrenvoll durchzuführen. – In letzter Zeit hatte ich auch das große Vergnügen durch den Instrumentenmacher Bausch aus Leipzig durch Umtausch u. weitere pecuniäre Opfer in den Besitz einer sehr schönen u. wohlconsonierten Joseph Guarneri-Geige zu kommen. Ich wünschte wohl Ihr gediegenes Urtheil darüber zu vernehmen u. würden Sie es möglich machen können u. wollen (wozu ich freylich nicht den Muth haben dürfte, Sie zu bitten) zur Taufe selbst mit Ihrer Frau Gemahlin hieher zu kommen, so würden Sie nicht allein uns im höchsten Maaße, sondern auch ganz Lübeck beglücken! –
Unter den verbindlichsten u. herzlichsten Grüßen an Sie u. Ihre Frau Gemahlin von uns zeichne ich hochachtungsvoll als

Ew. Hochwohlgeboren
dankbarst ergebenster
Gottfr. Herrmann.

Lübeck d. 22sten Oct.
1855.

Autor(en): Herrmann, Gottfried
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Herrmann, Ida
Herrmann, Luise
Erwähnte Kompositionen: Herrmann, Gottfried : Toussaint l'Ouverture
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855102240

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Herrmann, 22.01.1853. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Ida Herrmann.

[2] Louise Herrmann.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.09.2021).