Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Antwerpen d 4 October 18551
Sehr geehrter Herr Kapellmeister
Hochgeschätzer Herr Pathe!
Wenn ich mir erlaube, Sie, hochgeehrter Herr, mit diesen Zeilen zu belästigen, so hoffe ich Ihre gütige Nachsicht zu erlangen, wenn Sie mir erlauben wollen, Ihnen in der Kürze diejenigen Umstände mitzutheilen, welche allein mich nur dazu veranlassen konnte, Ihre Geduld einige Augenblicke für mich anzusprechen. –
Nachdem ich durch eine vierjährige Lehrzeit in Berlin vorbereitet, dem Handelsstand mich gewidmet, fand ich hier in Antwerpen eine Stelle, welche mir nichts zu wünschen ließ, bis vor nicht gar langer Zeit auch das Haus, wobei ich servierte, durch andere bedeutende Falliten zum Fallen gebracht wurde. – Außer meiner Person, sind noch andere fünf andere junge Leute, die auf diesem Bureau mit mir arbeiten um ihre Stelle gekommen, & da es hier in Antwerpen sehr schwer fällt, ein anderes Unterkommen für uns zu finden, so haben wir uns entschlossen nach Brasilien auszuwandern & mit der nächsten Gelegenheit von hier abzugehen. – Ein deutscher Schiffs-Capitain, der die Reise dahin schon häufig gemacht hat, & in Rio de Janeiro wohl bekannt ist, giebt uns die besten Hoffnungen für dort & da wir alle außer der deutschen, französischen & englischen Sprache, auch die Spanische verstehen, so wird es uns auch hoffentlich gelingen dort unser Bestehen zu finden, – In jedem Fall eher dort als hier. –
Nun aber, geehrter Herr Pathe, wollte ich mir eine Bitte erlauben, deren gütigen Erfüllung, mich sehr glücklich machen würde. – Obschon ich mit dem mähren(???) einer dreijährigen Dienstzeit im Geschäft Ersgarten(???) sehr haushälterisch umgegangen bin, so hat doch meine Kasse in den letzten Monaten sehr gelitten & von meinen Eltern2 kann ich nichts erwarten, da sie & meine Geschwister mit dem geringen Einkommen meines Vaters sich nur selbst nothdürftig erhalten können, daher wollte ich mich noch einmal an Sie, geehrter Herr Kapellmeister, wenden & Sie ganz ergebenst um eine kleine Unterstützung zu dieser großen & beschwerlichen Reise bitten.
Ich weiß, daß ich von Ihrer menschenfreundlichen Güte, nicht ganz verlassen bleiben werde & erlaube mir nur noch hinzuzufügen, daß, wenn ich auf eine gütige Zuschrift von Ihnen hoffen darf, dieselbe gewiß bis zum 15ten October in meine Hände sein wird, da das Schiff am 17ten u. 18ten October seine Reise antreten muß.
Indem ich mich Ihrem gütigen Andenken bestens empfehle
zeichnet,
Mit Hochachtung & Ergebenheit Ihr Pathe
Louis Eckardt
Kleine Schornebeke No 3
Antwerpen.
Autor(en): | Eckhardt, Louis |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Eckhardt, August Eckhardt, Louise |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Antwerpen |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855100447 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Eckhardt an Spohr, 28.12.1847.
[1] Die letzte Ziffer ist schwer lesbar. Gegen die auch mögliche Lesart 1853 sprechen die Angaben im Brief: Wenn Eckhardt nach seinem letzten Brief von 1847 eine vierjährige Lehr- und eine dreijährige Dienstzeit in Antwerpen absolvierte, kann dieser Brief jedoch kaum vor 1854 entstanden sein.
[2] August und Louise Eckhardt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.02.2024).