Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn Kapellmeister Dr L. Spohr
Ritter pp Hochwohlgeboren
Hamburg


Mein sehr verehrter Herr Kapellmeister,

Gestern Abend erhielt ich durch Schmidt die Nachricht, daß Sie und die liebe Frau Kapellmeister in diesem Augenblick in Hamburg wären und nur noch wenige Tage dort verweilen würden. Es drängt mich Ihnen auszusprechen wie unbeschreiblich ich es bedaure gerade jetzt während Ihrer Anwesenheit nicht in Hamburg zu sein, wo ich schon seit Monaten mich auf Ihren lieben Besuch gefreut hatte, und mir alle in Gedanken schon in den Genuß schwelgten mit Ihnen einige Tage zu bringen zu können. Wir wären augenblicklich davon geeilt, um, vielleicht noch, auf Stunden Sie sehn zu können, doch mich halten ernstere Pflichten zurück, indem ich zur Pflege einer lieben kleinen Freundin mich hier schon fast seit 14 Tagen aufhalte. Auch Bernhard wird höchst betrübt sein, Sie verfehlt zu haben1, und wird seinen Pariser Aufenthalt verwünschen, wo er sich ohnedies nicht gern aufhält, und die Reise nur unternommen hat, um sich dort in der Künstlerwelt wieder blicken zu lassen, u sich wieder in Erinnerung zu bringen, was wohl zuweilen nothwendig ist. Hätten wir Ihren Besuch jetzt, ahnen können, wir würden uns alle anders eingerichtet haben, denn der Wunsch war zu lebhaft, Sie wieder zu sehn. Bernhard hat begreiflicherweise in diesem Jahr keine so brillante Season in London gehabt, der Krieg2 übt einen nachtheiligen Einfluß
In Paris bleibt er nicht lange, denn er mag dort nun einmal nicht sein, und geht dann über Brüssel u Hannover zurück, wo er sich einige Tage aufhalten wird. So denke ich in 8 Tagen ihn wieder bei mir zu sehen. Ich hatte dem Bernhard recht ernstlich den Auftrag gegeben sich in Paris wo möglich nach einer guten alten Geige für Schmidt3 umzusehen, (was ihm übrigens noch ein Geheimnis bleiben soll) ob er eine findet, ist die Frage, er kennt Künstler genug die sie probieren können, hat aber die Idee, daß jeder sich sein Instrument nur selber wählen kann ob es ihm zusagt oder nicht4}, dies halte ich ziemlich für ein Unsinn obgleich ich es nicht verstehe. Schmidts Geige genügt mir garnicht, sie hat keinen edlen vollen Ton, und reicht kaum für ein Zimmer, geschweige denn für einen größeren Raum aus.
Ich hätte darüber zu gern mündlich Ihren Rath gehabt, wie und wo eine anschaffen, und wie hoch wohl der Preis kommen könnte. Haben Sie wohl zufällig bei unserm Instrumentenmacher Saucke in Hamburg welche gesehen, der oft im Besitz von schönen Geigen sein soll, nur leider ein solcher Gauner und Wucherer ist, der den Unkundigen gern über’s Ohr haut. Ihnen lieber Meister gegenüber darf er so etwas nicht wagen, Ihrem Kennerblick entgeht kein Makel, und darf er es auch nicht einen so ausverschämten5 Preis stellen. Ich hatte mir 3 bis 400 Thlr Prss Courant gedacht, sollte dafür was Gutes zu haben sein, in Violinen habe ich kein Urtheil. Bei Ihrem kurzen Aufenthalt in Hamburg und zumal mein Anliegen in den letzten Tagen käme, nicht so unbescheiden sein, Sie zu bitten, sich welche bei Sauke anzusehen, oder durch Schmidt sich welche nach Ihrem Hôtel schicken zu lassen, es könnte ja unter einem andern Vorwand sein, damit er noch nichts erführe. Dann hätten Sie sie gesehn und geprüft, und ich erführe Ihr Urtheil darüber und hörte auch den Preis den Sie allenfalls dafür geben möchten. Dann ist es noch sehr dahin gestellt ob Bernhard eine gute Geige findet, und überhaupt den Muth hat, sie zu kaufen. Die Zeit ist zu kurz, als daß ich ihn schnell fragen könnte, und wäre sogleich keine Antwort zu erwarten. Ein gutes Instrument ist zu wichtig für den Künstler, es ist das letzte Capital was er besitzen kann, auch ist es schon so lange sein sehnlichster Wunsch, daß ich es wenigstens wagen wollte diesen Gegenstand mit Ihnen zu besprechen und um Ihren gütigen Rath zu bitten. Ich warte nun Ihrer uns so vielfältig bewiesenen Güte, daß Sie mir desha[lb] nicht zürnen, und bitte tausend Mal um Entschuldigung daß Ich Ihre Zeit wieder für mich in Anspruch nehme.
Ich kann mich noch garnicht darein finden, Sie Beide in Hamburg zu wissen, ohne mit Ihnen sein zu können, lange hat mich nichts so schmerzlich berührt, als die Sie verfehlen, was sich für uns nicht ersetzen läßt. Was wird Bernhard sagen, wie unglücklich wird er darüber sein.
Ich füge noch hinzu, daß im Fall Saucke etwas Gutes Echtes hat, ferner Sie nicht zufällig von einer Andern etwas wüßten, die verkauft werden soll, Sie sie ihm bemerken könnten, den genauen Preis besprechen, u ihm dann sagen, Sie würden darüber ihr Näheres wissen lassen, Würden Sie sich auf diese Details wohl einlassen?
Nun noch die herzlichsten Grüße Ihrer lieben Frau Gemahlin, der Sie mein Bedauern aussprechen wollen. Möchte ein günstigeres Geschick Sie uns recht bald mal wieder zu führen. Mit treuster Anhänglichkeit, Ihre Sie hoch verehrende

B. Hildebrand geb. Romberg.

Binchen6 grüßt herzlich
d 27/6. 55.

Autor(en): Hildebrand-Romberg, Bernhardine
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hildebrand-Romberg, Bernhard
Sauke, Julius
Schmidt, Fritz
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Brüssel
Hamburg
Hannover
Paris
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855062743

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hildebrand-Romberg an Spohr, 23.07.1853. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz Hildebrand-Romberg an Spohr, 22.09.1856.

[1] Vgl. Bernhard Hildebrand-Romberg an Louis Spohr, 27.09.1855.

[2] Krimkrieg 1853-1856.

[3] Hildebrand-Rombergs angehender Schwiegersohn Fritz Schmidt.

[4] „nicht“ über der Zeile eingefügt.

[5] Sic?

[6] Vermutlich Hildebrand-Rombergs Tochter Bernhardine Schmidt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.02.2024).