Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Dem Kurfürstlichen General-Musikdirektor
Herrn Dr Louis Spohr Hochwohlgeboren
in
Cassel.
Hessen.
Mit einem Paquet
Notenbücher, gezeichnet
L. Sp. in Cassel.
franco.1
Hochzuzverehrtester Herr.
In der sicheren Ueberzeugung, daß Euer Hochwohlgeboren während Ihrer rühmlichsten Künstlerlaufbahn fortwähhrend die Erzeugnisse anderer, auf den Weg unsrer großen Vorbilder wandelnden Künstler berücksichtiget und sie in die Oeffentlichkeit einführten, erlaube ichbesonderen Pflicht machte, die dramatischen mir, Ihnen anbei ein Werk einzusenden, welches ich mit der größten Vorliebe geschrieben; es mir zur Pflicht machte, den dramatischen Ausdruck des Wortes in seiner vollen Bedeutung durch die Musik wiederzugeben.
Meine Oper „Aladin“ hatte sich bis jetzt auch vor allen Kennern, welche sie gesehen, des vollsten Beifalls zu erfreuen und sie wäre auch in Berlin zur Aufführung angenommen worden, wenn nicht gerade das Ballet gleichen Namens existirte und beide Werke sich nicht wohl mitsammen vertragen würden.
Ich habe am Frohnleichnamsfeste v. J. meine für die Huldigungsfeier in Hechingen geschriebene und Sr M. dem Könige gewidmete „Huldigungsmesse“ in der H. Hedwigskirche in Berlin unter meiner Leitung dort aufgeführt2, und dieses Werk ist kürzlich, am Himmelfahrtsfeste, im Dom in Breslau gegeben und auf besondern Wunsch des Herrn Weihbischofs am Pfingstfeste wiederholt worden. Mein Freund Herr Kammersänger Bader in Berlin der die Partitur meiner Oper ebenfalls gesehn und dem ich mittheilte, daß ich mir erlauben werde, Euer Hochwohlgebohren den „Aladin“ zur gütigen Ansicht zuzuschicken, schreibt mir hierüber beiliegende Zeilen, welche ich nicht umhin kann sie Ihnen Hochverehrtester Herr, mitzutheilen um deren gefällige Retournirung ich aber s. Z. höflichst Sie ersuchen würde. Meine Bitte wäre nun, um mich kurz zu fassen, diese: daß Euer Hochwohlgeboren meine beifolgende Oper Aladin in Kassel gefälligst zur Aufführung bringe und sie zuerst dem Publikum vorführen möchten. Sie werden finden, daß das Buch sehr dramatisch wirksam verfaßt ist, wie es sich von dem verdienten Libretisten3 nicht wohl anderes erwarten läßt. Die Besetzung dürfte auch keine Schwierigkeiten verursachen und alles Uebrige bietet die Hofbühne in Cassel hinreichend.
Wir haben an neuern Opern keinen Ueberfluß; dießen sogernannten Zukunftsopern von denen Euer Hochwohlgeboren – wie ich ohnlängst bei meinem Freunde A. Hesse in Breslau aus einem von Ihnen an denselben gerichteten Briefe4 ersehe – auch kein großer Freund sind. –
Ich bitte daher nochmals um die gütige genaue Durchsicht meines Werkes wozu Sie sich zu übereilen nicht nöthig haben dürften, da ich noch ein Exemplar in Abschrift besitze und sehe Ihrem gefälligen Resultate s. Z. mit einer gewissen Zuversicht entgegen. Die Ouverture habe ich nach Aufführung im Konzerte etwas gekürzt, indem sie mir für die Oper etwas zu lang erschienen.
Ich war Ihnen schon früher für die gütige Empfehlung meiner Violinschule zu großem Danke verpflichtet, in diesem Fall würde mich die Erfüllung meines Wunsches unendlich beglücken. Genehmigen Sie inzwischen, großer Meister, die Verehrung meine vollkommsten Hochachtung und Verehrung mit der ich die Ehre habe zu sein
Euer Hochwohlgeboren
Ergebenster
GWichtl
Vizekapellmeister Ritter pp
Loewenburg in Schlesien
6. Juni 1855.
Seiner Hochwohlgeboren dem kurfürstlichen
Generalmusikdirektor Herrn Doktor
Louis Spohr
in
Kassel.
Autor(en): | Wichtl, Georg |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bader, Carl Adam Gollmick, Carl Hesse, Adolph |
Erwähnte Kompositionen: | Wichtl, Georg : Huldigungsmesse |
Erwähnte Orte: | Berlin Breslau |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Kassel> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855060645 |
Der letzte überlieferte Text dieser Korrespondenz ist ein Zeugnis von Spohr für Wichtl, ab 09.06.1844. Spohrs Antwortbrief vom 19.06.1855 ist derzeit verschollen.
[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts in der Mitte der Poststempel „LOEWENBURG I. SCHLESIEN / 6 / 6“.
[2] Vgl. „Berlin“, in: Neue Berliner Musikzeitung 8 (1854), S. 196f., hier S. 196.
[3] Carl Gollmick.
[4] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.06.2022).