Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Scholz,C.:1
Inhaltsangabe: Bernhard Scholz, Verklungene Weisen. Erinnerungen, Mainz [1911], S. 88

Hochgefeierter Mann!

Die theilnehmenden Zeilen1, womit Sie vor mehreren Wochen, meinen Sohn Bernhard Scholz beehrten, geben mir das Vertrauen wegen der Zukunft dieses jungen Mannes mich an Ihre gütige Einsicht und Ihren Rath zu wenden.
Ich bin bis jetzt glücklicher Familienvater und nicht geringer ist der Erfolg meiner geschäftlichen Laufbahn. Ich habe eine bedeutende lithografische Anstalt, Kunstverlag, Schreib- und Zeichenutensilien-Fabrik und Handlung und betreibe ein schönes Geschäft in vielen Ländern über die ganze Erde verbreitet. Ich habe mir ein schönes Vermögen erworben und mein Geschäft setzt mich noch fortwährend in die Lage, neben einem splenditen Leben, jenes zu vergrößern.
Was ist natörlicher, als daß ich meinen Sohn gern auf gleichem Wege sähe, der ihm erlaubt, bei großer Unabhängigkeit sich viele Genüsse der Kunst zu verschaffen, wie dann die Musik und sonstige bildende Unterhaltung nie meinem Hause fremd war.
Mein Sohn hat einen großen Drang sich ganz der Musik zu widmen, kennt zu wenig die Formen solcher Laufbahn und schlägt zu wenig die schöne unabhängige Lage des Geschäftsmannes an.
Sie, einer der Glücklichen die der Genius tief besselt, sind wohl am besten im Stande, meinem Sohn zu rathen! –
Er wird sich erlauben, Sie in den nächsten Wochen zu besuchen. Sie werden in ihm einen tüchtigen kräftigen 20jährigen jungen Mann mit vielen Anlagen für Gutes und Schönes finden. Ich habe ihm vorgeschlagen sich noch 1-2 Jahre in Berlin oder sonst wo Bildung jeder Art anzueignen, und dabei vorzugsweise Musik im Auge zu haben. Nach dieser Zeit mögte ich ihn dann wieder im Geschäft haben, in welchem er sich jährlich mit der Zeit seine Zehn bis fünfzehntausend Thaler verdienen kann, wobei er Herrscher ist! –
Mein Sohn ist ein braver tüchtiger Mensch, der Alles Gute verdient. Ich weiß, daß Sie, hochgefeierter Mann, ihn gern empfangen, Ihre große Erfahrung befähigt Sie mehr als irgend Jemand ihm zu rathen, auf Ihren Rath legt er Gewicht.
Der junge Mann ist durchaus nicht einseitig, er hat auch alle Anlagen zu einem guten Geschäftsmann, das Feuer der Jugend macht ihn nur zweifelhaft in seiner Berufswahl. Kommen Sie, hochgefeierter Mann ihm deshalb zu Hilfe!
So viel Vermögen kann ich diesem einem, meiner 6 Kinder, nicht geben, daß er seinen Beruf ohne Rücksicht auf Erwerb wählen könnte, um so weniger als das Elternhaus ihn schon sehr vorgezogen, d.h. ihm Ansprüche befriedigt hat, wie sie leider nur eine kleine Anzahl Sterblicher machen darf! –
Durch diese Zeilen wollte ich Ihnen, hochgefeierter Meister, nur Kenntniß von der Lage meines Sohns geben; ich bin weit entfernt Ihren gütigen Rath für ihn einen Fingerzeig geben zu wollen – geben Sie Rath ganz so wie ihn Ihr Inneres diktirt.
Haben Sie die Güte sich mit meinem Sohn über seine Lage zu unterhalten, Sie werden dann Alles erfahren, was ich diesem Schreiben anvertraue, ohne daß er Kenntniß von diesen Zeilen erhalte, was ich nicht für gut fände.2 Das Elternhaus verliert nicht gern einen solchen Sohn.
Entschuldigen Sie hochgefeierter Mann meine Freiheit. Ihre viele Beschäftigung rechtfertigt die Nichtbeantwortung dieses Schreiben.
Seyen Sie meinem Sie meinem Sohn Freund – führt Ihr Weg Sie je durch Mainz, so verschmähen Sie mein Haus nicht – es soll Ihnen bei mir gefallen!
Entschuldigen Sie, hochverehrter Mann, die kurze Art meines Schreiben – ich meine Ihnen gegenüber wären nicht die vielen polirten Phrasen, sondern kurze deutsche Worte am Platze.
Wenn bei der Verehrung und Hochachtung die die Welt für alle Zeiten Ihnen zollt und zollen wird die Versicherung der meinigen Ihnen, hochgefeierter Meister noch ein Gewicht hat, so genehmigen Sie dieselbe mit meinen inngisten Wünschen für Ihr Glück und Wohl.

Scholz

Mainz 26. Mai 1855

Autor(en): Scholz, Christian
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Scholz, Bernhard
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Berlin
Mainz
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855052646

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Spohr an Bernhard Scholz, 14.04.1855.

[2] Bernhard Scholz schreibt dazu: „Es ist mir später vertraut worden, daß auch der Vater an Spohr geschrieben hatte“ (vgl. Inhaltsangabe).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.04.2021).