Franz Joseph Keppner an Louis Spohr in Kassel

Freiburg den 1^ten Mai 1855.

Hochgeehrtester Herr!

Ihr freundliches Schreiben ist mir zugekommen und ich ermangle nicht, Ihnen meinen herzlichen Dank dafür auszusprechen. Es regt mich eben immer freudig auf, wenn ich wiederhohlt sehe, wie Sie consequent mir gut und geneigt bleiben. Ich habe so eben bei dem österreichischen Minister, Herrn v. Wessenberg, der hier in Pension lebt, auf seinen, mir durch Herrn Chorregenten Lumpp hier ausgesprochenen Wunsch Besuch gemacht. Der Herr Minister hat durch Herrn Lumpp gehört, daß ich von Ihnen sehr begünstigt werde und dürftig bin. S^e Exzellenz hat mir nun eine ehrenvolle Unterstüzung gegeben, und zugleich ein Empfehlungsschreiben nach Wien zugesagt. H. v. Wessenberg glaubt, daß zu Wien ein neues [???] wieder mehr klassisches Zeitalter entstehen wird, und hat mir gerathen, auf den Winter nach Wien zu gehen, auch dann, wenn der Herr Erzbischof noch keine Dirigentenstelle für mich gefunden, da es schon Leute gibt, die daßelbst mich materiell unterstüzen. Ich meine nun auch, daß auf zwei so gewichtige Schreiben, wie die des Herrn Erzbischofs und des Herrn Ministers es schon gewagt werden kann. Wie viele Männer von großem Talente haben solche Wagstücke nicht bestanden? – Ich wiederhohle Ihnen meinen herzlichen Dank, und grüße alle meine Freunde zu Kassel.

Hochachtungsvoll
Ihr ergebenster
und zu ewigem Dank verpflichteter
F.J.A. Keppner.

NB. Vor meiner Abreise im Herbst will ich so frei sein, und Ihnen noch einmal schreiben. Wenn ich nur einen entschiedenen, (genialen) Musikverleger hätte! –

Nachschrift.
Die feierliche Messe hat merkwürdigerweiße noch 3 Druckfehler, die zu verstehen und zu erklären, aber harmonisch sehr hart sind, welche drei Stellen Sie warscheinlich meinen. –