Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Scholz,B.:2


Joseph Scholz
in
Mainz1 26 April 18552

Hochgeehrter Herr!

Ihre freundlichen Zeilen haben mich sehr erfreut und ermuthigt, und kann ich Ihnen nicht genug für die große Güte und das Interesse danken, die Sie mir dadurch bewiesen. An meisten danke ich Ihnen für die Bemerkungen, wodurch Sie mich auf einige meiner Fehler aufmerksam machten. Ich weiß nur zu gut, wieviel mir noch abgeht, und fühle so sehr das Bedürfniß was Rechtes zu erlernen; allein hierzu bedürfte ich einer Anleitung, die ich leider hier nicht finden kann, die Anregung sogar fehlt mir beinah gänzlich; ich lebe in Kreisen, wo die Kunst eben blos als Zeitvertreib getrieben wird, und habe selbst schon, gänzlich niedergebeugt, den verzweifelnden Gedanken gefaßt, alls das Schöne und Hohe, für das ich mich begestert hatte, sie eben nur Trug und sei mir blos in aufgeregten Momenten so lockend erschienen. Das ist ein schrecklicher Gedanke! Wie oft wurde er schon in mir durch das wiedererwachte musical. Bedürfniß ertödtet, und wie oft faßte ich ihn wieder im Schlendrian des geschäftl. Lebens, für das ich bestimmt, – und doch so schlecht gemacht bin!
Ihre Zeilen, verehrter Mann, haben wiederum so wohlgethan, da ich doch nun glauben darf, ich habe wenigstens einige Berechtigung, und bin doch nicht ganz ein Eindringlich auf den Parnaß, ich brauche doch nun nicht an mir zu verzweifeln.
Ich will nun trachten, zu lernen und immer mehr zu lernen, und ermuthigt durch Ihre große Güte, werde ich mir erlauben, Ihnen manchmal Eines oder Anderes zu senden, mit der bescheidenen Bitte, meine Arbeiten dann ganz nach Ihrer Bequemlichkeit durchzusehen, und mir dann und wann, (wenn Sie gerade Zeit haben, meiner Zudringlichkeit einige Augenblicke zu opfern,) einige Zeilen mit Ihrer Ansicht darüber zukommen zu lassen, je strenger Sie mich dann behandeln, zu desto größerem Danke verpflichten Sie mich.
Empfangen Sie, hochgeehrter Mann, nochmals meinen tiefgefühltesten Dank für Ihre Güte

Mit Hochachtung
Ihr ergebener
B. Scholz

Autor(en): Scholz, Bernhard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1855042646

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Scholz, 14.04.1855. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Scholz an Spohr, 25.03.1856. Vor diesem Brief liegt noch ein Brief von Scholz’ Vater Christian an Spohr, 26.05.1855 in gleicher Sache.

[1] Bis hierhin Vordruck auf dem Briefpapier. – Joseph Scholz war der Großvater von Bernhard Scholz und der Gründer des Familienunternehmens, das Scholz’ Vater Christian weiterführte (vgl. Bernhard Scholz, Verklungene Weisen. Erinnerungen, Mainz [1911], S. 10f.).

[2] „185“ Vordruck auf dem Briefpapier.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.04.2021).