Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Freiburg i/B. den 17ten
April 1855.

Hochgeehrter Herr!

Mein Schreiben vom Dez. v.J. aus Studtgardt werden Sie erhalten haben? – Jenem Briefe legte ich ein kleines Instrumentalsäzchen bei in strenger Form, wie Sie es zufolge Ihres lezten Schreibens1 wünschten. Durch seltsame Verwicklungen bin ich hieher gelangt, und in ganz romantischer Weise mit Sr Exzellenz dem Herrn Erzbischofe (v. Vikari)2 – bekannt geworden, ein Umstand, der nun entscheidend auf meine Zukunft einwirkt, indem Herr v. Vikari mich derzeit unterstüzt und sich in Wien bei Herrn Erzbischof Rauscher und in Mainz bei Bischof Ketteler p.p. auf's wärmste für mich verwendet, um mir in Bälde an einer kathol. Kirche eine Anstellung als Chordirigent zu erwirken. Es wäre jedoch Verkennung der Sache, wenn ich auch hiebei Ihnen nicht gedenken wollte, indem Ihre Zeugnisse über mich derzeit hier und in Abschriften in Wien und Grätz sprechen. Es ist sehr warscheinlich, daß durch den, gegenwärtig in Rom sich befindenden, Herrn Erzbischof v. Wien etwas erreicht wird und ich sonach nach dem Winter zu, dieses Jahr noch, nach Wien komme. Deßhalb und in Hinsicht nachfolgenden Grundes, möchte ich Ihnen eine kleine Bitte vortragen: Die durch Herrn H. Kapellm. Mangold z. Darmstadt in glänzender Weiße eingeleiteten Verhandlungen mit H. H. B. Schotts Söhne in Mainz haben sich namlich in „Nichts“ aufgelöst. Nun liegen zwar in Leipzig und Offenbach Arbeiten zum Drucke vor, allein es ist ungewiß, ob die H. H. Breitkopf und André sich zum Drucke derselben verstehen. Ich möchte nun, daß ein Wiener Musikverleger ein oder mehrere Arbeiten übernähme, (ohne Honorar's Anspruch, wenn es sonst nicht gehen will), etwa H. H. Tobias Hasslinger in Wien, und bin so frei, Sie zu bitten, mir ein empfehlendes Schreiben an einen Musikverleger in Wien direct von Kassel aus abzusenden, mich selbst aber in Kenntniß sezen zu wollen, ob, und an wen solches abgegangen. Dieße Bitte Ihnen freundlich wiederhohlend, bitte ich Sie zugleich um gefällige Durchsicht und Beurtheilung der Beilagen. Ich habe im Theater hier das, bei Ihnen gearbeitete „Potpourri“ aufgeführt.3 Es hat mir viele Verehrer erworben, und ist überhaupt auch auf mich von gutem Eindruck gewesen. Ein Verleger dafür habe ich noch nicht finden können.
Ich grüße Sie recht herzlich, und harre mit immer gleicher Hochachtung und Zuneigung einer Antwort von Ihnen entgegen.
Zugleich bitte ich Sie, Ihre Frau sowie Frau v. Malsburg von mir freundlich grüßen zu wollen. An H. Schmelz, Sekretär, habe ich selbst vor Kurzem geschrieben.
Im Gefühle ewiger Dankbarkeit
zeichne ich

F.J.A. Keppner.

Adresse: Brunnengasse, Wittwe Scharrer.

Folgt anbei:
Eine Messe,
Ein Lied,
Ein Männerchor,
4 Quartette für Singstimmen.



Dieser Brief folgt in dieser Korrespondenz auf den hier von Keppner engangs erwähnten, derzeit verschollenen Brief von Keppner an Spohr. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[2] „(v. Vikari)“ am linken Seitenrand eingefügt.

[3] Vgl. „1855 1.II. wurde ein ,Potpourri, selbständige Kunstform‘ von Fr. Keppner, aufgeführt. Keppner war Badener, von St. Georgen bei Hornberg gebürtig, hat in Freiburg studiert und sich dann der Komposition gewidmet. Kaliwoda, Lindpaintner, Spohr und Kücken stellten ihm die besten Zeugnisse aus“ (Wilhelm Schlang und Otto von Maurer, Das Freiburger Theater. Ein Stück deutschen Gemüts- und Geisteslebens, Freiburg 1910, S. 155).

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (28.10.2019).