Fritz Schmidt an Louis Spohr in Kassel

den 15. Febr. 1855.
50. Rosenstraße.
Hamburg.

Hochgeehrter Herr Kapellmeister

Schon wieder belästige ich Sie mir meinem Schreiben, doch kann ich nicht umhin Ihnen gleich Nachricht zu geben, sobald ich von einer kleinen Tour, die ich in der Umgegend Hamburg‘s gemacht, hierher zurückgekehrt und nachdem ich bei meine Ankunft ein Schreiben der Intendantur des Kurfürstlichen Hoftheaters vorgefunden. Es enthält dasselbe durchaus nun eine Einladung für mich nach Cassel, indem ich aufgefordert werde, in dem am 17. Febr. stattfindenden Abonnement Concerte Probe zu spielen und mit Ihren hochgeehrter Herr Kapellmeister, der zu spielenden Piecen wegen, mich zeitig zu verständigen.
Recht sehr bedaure ich, daß die Zeit bis zum 17., also Übermorgen, so kurz ist, daß es mir durchaus unmöglich, dem Wunsch der Intendantur Folge zu leisten, da ich ja kaum die Reise würde zurücklegen können, um zur rechten Zeit in der Probe zu sein.
Ihre stete Freundlichkeit hochgeehrter Herr Kapellmeister wird mich gewiß auch diesmal nicht verlassen und wage ich es, Ihre große Güte heute noch einmal dahin in Anspruch zu nehmen, daß ich Sie bitte, meine Probespiel bis zum nächsten Abonnement Concerte hinaus zu setzen und erlaube ich mir zugleich die Frage, ob Sie dann wohl mit einem Ihrer Concerte und einer Fantaisie von H. Viextemps befriedigt sein würden. Am liebsten spielte ich Ihr 13. Concert, doch würde es mich außerordentlich glücklich machen, wenn Sie mich noch wie Ihren vormaligen Schüler betrachten und mir Ihre Ansicht ganz offen mittheilen möchten, ob ich etwa auch ein paar kleine moderne Klavierpiecen spielen könnte. Noch darf ich Ihnen sagen, daß ich von B. Hildebrand augenblicklich ohne Nachricht bin, nur weiß ich, daß man ihn in Berlin mit seiner Militairpflichtigkeit große Schwierigkeiten macht
und verbleibe ich nun mit meinen besten Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin
und ganz besonderer Hochachtung

Ihr dankbarer
Fritz Schmidt.