Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.6 <Cramolini 18541207>

Sr. Wohlgeb.
Herrn L. Cramolini
Großherzogl. Hofopernsänger
in
Darmstadt.

Hiebey ein
Opernbuch
in grauem Papier
gez: L.C.

franco.


Cassel den 7ten
December 1854.

Hochgeehrter Herr,

Nehmen Sie meinen besten Dank für die freundliche Zusendung Ihrer Operndichtung1; sie hat mir sehr gefallen und wäre mir vor 10 Jahren sehr willkommen gewesen. So lange ist‘s nun her, daß ich der dramatischen Komposition entsagt habe. Jetzt, wo ich die Siebenzig passirt habe, und der dramatische Styl eine Richtung genommen hat, die uns Veteranen, im vorigen Jahrhundert geborn, in Schrecken setzt, kann es mir nicht einfallen nochmals vor eine Generation, die mir entfremdet ist, mit einer neuen dramatischen Arbeit aufzutreten. Ich sende Ihnen daher Ihre Dichtung mit dem verbindlichsten Dank hiermit zurück.
Mein Schüler der Kapellmeister Bott, der mit seiner Oper „der Unbekannte“ die Bahn der Opernkomposition mit Erfolg betreten hat, sah Ihre Dichtung bey mir, und bat mich, sie lesen zu dürfen. Sie hat ihm ebenfalls recht sehr gefallen, und er wünscht mit Ihnen wegen der Erwerbung in Unterhandlung zu treten. In 4 Wochen wird seine Oper in Wiesbaden gegeben werden2, und er hofft dazu hinreisen zu können, und will dann auch nach Darmstadt kommen. Sollte ihm aber der Urlaub verweigert werden, so wird er sich schriftlich an Sie wenden.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr
ergebener
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Cramolini, Ludwig
Erwähnte Personen: Bott, Jean Joseph
Erwähnte Kompositionen: Bott, Jean Joseph : Der Unbekannte
Erwähnte Orte: Darmstadt
Wiesbaden
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Wiesbaden>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854120715

Spohr



[1] Noch nicht ermittelt.

[2] Vgl. „Aus Wiesbaden“, in: Rheinische Musik-Zeitung 6 (1855), S. 107-110; Wiener Modespiegel 3 (1855), Beilage Lesehalle, nicht paginiert; „Wiesbaden“, in: Neue Berliner Musikzeitung 9 (1855), S. 38 und 68.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.05.2017).