Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

St. Gallen den 4 December 1854.

Hochgeehrtester Herr Hofcapellmeister

Verzeihen Sie geehrtester Herr, wenn ich so frey bin mir einen kleinen Rath bei Ihnen einzuholen den Sie mir gewiß nicht abschlagen werden.
Seit 7 Jahren Musikdirektor bei dem hiesigen Gesang Verein Frohsinn, hatte ich nach vielen Kämpfen endlich es auch einmal dahin gebracht 3 Ihrer so wunderbar schönen großartigen Compositionen aufzuführen; Ersteres war eine Hymne für Sopran Solo gemischten Chor, das zweite, die Jessonda1, das dritte nun schon 3 mal aufgeführte Oratorium, die letzten Dinge (eines der schönsten Werke die ich je kennen gelernt habe). die letzten Dinge führten wir nun 3 mal jedesmal mit immer mehr steigendem Erfolg auf2, und da, wie es mir scheint, der liebe Gott auch einmal einen milden Strahl auf unser sonst, so kaltes, unempfängliches Publikum hat scheinen lassen, daß Sie hier endlich auch etwas mehr für die schöne classische Musik empfänglicher würden, so ergeht meine Bitte an Sie mir einen Rath zu ertheilen (da ich leider beide Oratorien, der Fall Babylon‘s und des Heiland‘s letzte Stunden noch nicht kenne) welches von beiden Oratorien Sie mir zur Aufführung anrahten, nach den letzten Dingen, und wo sie verlegt oder zu haben sind, und mit gestochenen Singstimmen. Da wir einen sehr schönen Flügel besitzen, so begleite ich es selbst immer auf dem Pianoforte, indem, wie Sie schon wissen werden hier noch kein Orchester besteht. Ich kann Sie gewiß fest versichern, daß Ihre Werke besonders das Oratorium ich mit aller Liebe und Freude gewiß gut zur Aufführung gebracht habe, und sich unsere Herrn & Damen außergewöhnlich viel Mühe mit gegeben haben. Sehr freuen sollte es mich wenn Euer Wohlgeborn mit einige Zeilen zukommen lassen wollten, und mir meine Bitte erfüllen möchten indem Wir auf Palmsonntag wieder eines von Beiden gar zu gern aufführen möchten.
In der angenehmen Erwartung, Wie werden mir bald einige Zeilen zukommen lassen

Zeichnet mit aller
Hochachtung Ihr ganz ergebenster
Bernhard Bogler
Musikdirektor des Frohsinn



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bogler an Spohr, 20.09.1857.

[1] Vgl. „Jessonda (Konzert des ,Frohsinns’ in St. Gallen vom 26. Dezember 1852)“, in: St. Galler Zeitung (1852). S. 1272.

[2] Vgl. „St. Gallen, den 8. April“, in: St. Galler Zeitung (1854). S. 340; “Eingesandt“, in: ebd., S. 359f.; Konzertanzeige in: ebd., S. 360; „St. Gallen“, in: ebd., S. 827.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.07.2021).