Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborner Herr Kofkapellmeister!

In der ganzen Welt ist Niemand, der mir während meines Lebens so viel Vergnügen, so große Freude und einen so hohen Genuß gewährt hat, wie Sie, hochverehrter Herr, durch Ihre Compositionen. Zuerst waren es Ihre prachtvollen Duette, die bei mir die Lust zum Studium erregten, bei größern Kräften Ihre wunderschönen Quartette, und ich berge es Ihnen nicht, jenes Quatuor brillant in E dur half mir manche Schlacht gewinnen. Später wurde ich mit Ihren Concerten vertraut, & diese waren mir stets in einsamen Stunden wie im gesellschaftlichen Leben der höchste Genuß. Es gibt keine Gattung von musikalischen Schöpfungen, in welchen Ihre hohe Meisterschaft nicht gewundert wird. heute sind es Ihre herrlichen Klaviertrios, welche den Glanz der musikalischen Unterhaltung in unserm häuslichen Kreise bilden, & ich mit meinen Kindern, die alle Pianoforte spielen, ausführe, und dieses Alles habe ich Ihnen, hochverehrter Herr, zu danken.
Deutschland gewährt seinen großen Männern nach deren Dahinscheiden früher oder später ein Denkmal von Erz oder Stein. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen meine Huldigung während des Lebens, & zwar nicht mit Stein, sondern mit Wein darbringe & „im Wein liegt Wahrheit.“ - Ein Fäßchen 1834er am Fuße der St. Annakapelle bei Burweiler in meinem Weinberg genommen ist, das Blümchen der Dankbarkeit, welches ich Sie bitte, in den so reichen Kranz den Sie mit vollster Kraft zu beanspruchen haben, einzuflechten.
Durch die besondere Artigkeit des Herrn Theater-Singchors1 wurde es mir ermöglicht am 15ten April der Hauptprobe Ihres Meisterwerkes „Faust“ zum ersten Mal mit Recitativen, anzuwohnen, & ich erlaube mir daher an Sie die Bitte zu stellen, diesem Herrn nochmals meinen Dank für diese Gefälligkeit abzustatten, so wie auch dem Bruder2 Ihres Herrn Schwiegersohnes, dessen Tischnachbar ich jenen Abend im Sonntagskränzchen bei Rode3 gewesen bin, in freundliche Erinnerung zu bringen.
Genehmigen Sie, hochgeschätzter Herr Hofcapellmeister, die Versicherung der höchsten Verehrung, von der sich im Innersten durchdrungen fühlt

Ew. Wohlgeboren
ganz Ergebenster
Johann Hitschler,
Gutsbesitzer.

Landau in der Pfalz St. Cäcilia 1834.

Autor(en): Hitschler, Johann
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Sobirey, Gustav
Wolff, Conrad
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854112248

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 26.11.1854.

[1] Gustav Sobirey (vgl. Kurfürstlich Hessisches Hof- und Staatshandbuch (1854), S. 59)

[2] Conrad Wolff (vgl. Rudolf Hallo, „Wolff, eine Kasseler Steinmetzen- und Baumeisterfamilie“, in: Hessenland 41 (1930), S. 289-300, hier S. 294).

[3] Von den Kasseler Bürgern dieser Zeit kommen in Frage: der geheime Justizrat Carl Rohde, der Historienmaler und Lehrer Carl Gustav Adolph Rohde und vielleicht der Tuchhändler Carl Rohde (vgl. Casselsches Adreß-Buch (1854), S. 216).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.12.2019).