Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Mueller von der Werra:2
Druck: Simon Moser, Das Liedschaffen Louis Spohrs. Studien, Kataloge, Analysen, Wertungen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kunstliedes, Kassel 2005, Bd. 1, S. 75 (teilweise)

St. Gallen d. 8 August, 54

Hochverehrtester Herr Hofkapellmeister!

Sie haben mir durch Ihre werthen Zeilen eine große Freude bereitet, indem ich daraus ersehe, daß Sie meiner Bitte freundlichst entsprechen wollen. Daß Ihre Schweizerreise die Sache verschoben, hab‘ ich mir längst gedacht, und bald nach Abgang meines Briefes kam ich einstmals Vormittags zu unserem alten Freund Schnyder von Wartensee, wo er mir mittheilte, daß er soeben im Lesekabinet aus den Schweizer-Zeitungen entnommen, daß Sie auf der Reise begriffen waren und wir haben uns recht herzlich gefreut, daß Sie überall so frohen und herzlichen Willkommen erhielten. Wir glaubten immer, Sie würden auch das liebe St. Gallen besuchen, aber nach einiger Zeit meldeten die Zeitungen Ihre Ankunft in München und Herr Schnyder sagte in seiner lakonischen Weise: „Er ist uns entwischt!“ Herr Schnyder ist Ihnen bald nachgefolgt und wird in der nächsten Woche von München aus wieder nach Frankfurt übersiedeln. Er hat mir noch hinterlassen, Sie bestens zu grüßen, was ich hiermit bestens thue.
Der Druck des „Liederhorts“ hat diese Woche begonnen und für Übermachung einer Composition ist jedenfalls noch bis Endes des Monats Zeit, vielleicht auch noch etwas länger, jedoch wäre es wünschbar, wenn Sie bis Ende August einige Muße für den „Liederhort“ verwenden könnten. Ich weiß nicht mehr recht welche Lieder ich Ihnen seiner Zeit gesandt und füge diesem Brief einige neue bei. Das erste würde sich mehr für ein Quartett eignen, weshalb ich auf die andern drei, die mit Klavierbegleitung sich wohl am besten componiren lassen werden, mehr Gewicht(???) lege. Sollte Ihnen von diesen Liedern keines zusagen, so dürfen Sie mir es mit einigen Zeilen gefälligst so wissen thun.
Kürzlich hat ein ehemaliger Schüler von Ihnen, Herr Grothen, hier ein Violinconcert gegeben und außergewöhnlichen Beifall geerntet, indem er durch sein exactes und reines Spiel alle Zuhörer entzückte. Wie ich höre wird derselbe im Laufe des Monats von Zürich aus nochmals hieherkommen und sich hören lassen. Auch Herr Schnyder zollte dem jungen, bescheidenen Künstler vollen Beifall.
Indem ich Ew. Wohlgeboren unbekannter Weise freundlichst größe, verbleibe ich, in der Hoffnung eine baldige Nachricht wieder zuerhalten, mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr
ergebener
FrMüller
vdW.

Autor(en): Müller von der Werra, Friedrich Conrad
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Groten, Joseph
Schnyder von Wartensee, Franz Xaver
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Sgst Kl, WoO 122
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
München
St. Gallen
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854080847

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Müller. Spohr beantwortete diesen Brief am 15.08.1854.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.07.2021).