Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Mueller von der Werra:1
Druck: Simon Moser, Das Liedschaffen Louis Spohrs. Studien, Kataloge, Analysen, Wertungen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kunstliedes, Kassel 2005, Bd. 1, S. 75 und Bd. 2, S. 65, Anm. 233 (teilweise)
Inhaltsangabe: Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 488

Wohlgeborner Herr!

Entschuldigen Sie gütigst, daß ich mir die Freiheit erlaube, mich mit einer ergebensten Bitte an Sie zu wenden. Schon seit einigen Jahren habe ich in der Dichtkunst versucht, das Lied zu hegen und zu pflegen, so daß mir schon wiederholt die Freude zu Theil ward, von anerkannten Meistern der Tonkunst meine Lieder – welche in früheren Jahren unter dem Namen „Müller v.d. Werra“ erschienen – durch Musik verherrlicht zu sehen. Diese Thatsache hat in mir ein eigentliches Unternehmen in Anregung gebracht, nämlich ein Sammlung eigener und neuer Lieder unter dem Titel „Liederhort“1 zu veröffentlichen. Dieser Liedersammlung liegt der mannigfachste Stoff – Vaterlandslieder und heitere Lebensbilder – zu Grunde. Alle und jede Politik ist streng vermieden. Um nun diesen „Liederhort“ sogleich mit einigem Klang hinaus in die Welt zu senden, war ich bemüht von unseren rühmlichst bekannten Tonkünstlern Originalcompositionen zu erhalten und es sind dabei außer meinem allverehrtem Freunde, Herrn Schnyder von Wartensee, die Herren Hofkapellmeister Frz. Lachner und Lindpaintner vertreten. Nun wünschte ich in diesem würdigen Künstlerkranz auch noch Ihren gefeierten Namen zu verflechten und übersende Ihnen anbei einige Lieder aus der Sammlung mit der Bitte, eines oder das andere durch Musik zu verherrlichen und mir zu obigen Zwecke zu übersenden. Das Honorar wollen Sie gefälligst bestimmen. Die Liedersammlung wird fein ausgestattet in einem guten Verlage erscheinen2 und ich behalte mir vor, Ihnen später ein Exemplar zu übermachen. Die oben genannten Herren haben je eine Composition (eine Singstimme mit Klavierbegleitung) gegeben. Es steht Ihnen frei auch eines der Lieder vierstimmig zu setzen.
Herr Schnyder von Wartensee hat sich erboten, seinen Gruß eigenhändig beizufügen.
In der angenehmen Hoffnung, daß Sie meine Bitte, wenn irgend möglich, berücksichtigen werden, zeichnet sich hochachtungsvoll

FrMüller (v.d.W.)
(wohnhaft bei Herrn Optikus Kunz3)

St. Gallen (in der Schweiz)
d. 20. Juni 1854.


Mit Freude ergreife ich die Gelegenheit, Sie wieder einmal freundlich zu grüßen. Zugleich vereinige ich meine Bitte mit der von Herrn Müller von der Werra, den Sie durch eine Komposition von Ihnen sehr beglücken könnten. Er ist ein sehr guter Dichter, und da er selbst musikalisch ist, so verstehet er die ächte Liederform besser, als viele andere Dichter, zu treffen.
In der frohen Hoffnung, Sie bald, aber in Frankfurt wieder sehen zu können, verbleibe mit vollkommenster Hochachtung und aller Anhänglichkeit

Ihr ergebenster Freund
Xaver Schnyder von Wartensee

St. Gallen, den 21ten Juni 1854.

Autor(en): Müller von der Werra, Friedrich Conrad
Schnyder von Wartensee, Franz Xaver
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lachner, Franz
Lindpaintner, Peter von
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Sgst Kl, WoO 122
Erwähnte Orte: St. Gallen
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854062047

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] [Friedrich Conrad] Müller von der Werra, Der Liederhort. Dichtungen, St. Gallen 1854.

[2] Notenanhang zu Der Liederhort. Dichtungen von Müller von der Werra, mit Originalcompositionen von Louis Spohr, Peter von Lindpaintner, Schnyder von Wartensee, Franz Lachner und Heinrich Sczadrowsky, St. Gallen 1855.

[3] Vgl. „Denjenigen Reisenden, welche noch nicht mit Perspektiven, blauen Brillen oder sonstigen Augenwaffen versehen sind, ist das Lager des Optikus Kunz sehr zu empfehlen“ (Johann Jacob von Weber, Illustrirter Alpen-Führer. Malerische Schilderungen des Schweizerlandes. Ein Reise-Handbuch für die Besucher der Alpenwelt, Leipzig 1854, S. 64).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.07.2021).