Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr Hochwohlgeborener
dem
Kurhessischen General-Director u. Hofkapellmeister, Herrn
Dr L. Spohr
a.
Kassel
Frey.
d. E.
St. Georgen, den 24ten Mai 1854.
Hochgeehrtester Herr!
Da es Sie interessiren dürfte, zu erfahren, wie es mir in Karlsruhe ergangen ist, so ermangle ich nicht, Ihnen darüber Nachricht zu ertheilen. –
Herr Director Devrient, der von dem Regenten von Baden1 die oberste Leitung der musikalischen und poetischen Angelegenheiten erhielt, und den ich „deßhalb“ zuerst besuchte, hatte mir die private Aufführung des Werkes vor einigen höheren Ministerial-Beamten in Aussicht gestellt, und wollte nur noch mit Herrn Hofkapellmeister Strauß darüber Rücksprache nehmen. Zu diesem Zwecke ersuchte er mich, Herrn Strauß zu besuchen und gab mir ein Briefchen an ihn. –
Was mir den Herrn Director geneigt machte, war Ihr Reskript2, das ich ihm zeigte, und das wiederholt von Ihrem gütigen Wohlwollen und Ihrer ausdauernden Sorgfalt für mein Fortkommen spricht, und für das ich Ihnen meinen herzlichsten Dank ausspreche.
Herr Strauß also, um zurückzukommen, las etwa 10 Minuten in der Partitur und hielt es dann für gut mir zu sagen, daß es zu meinem Wohle und in meinem Interesse sei, die Aufführung zu unterlassen, welche gutgemeinte und schmeichelhafte Äußerung er auch Herrn Devrient wiederholte! So wie es überhaupt nicht meine Sache ist, zu oppniren, so räumte ich auch hier alsbald, nach vernommenem Oracelspruch, das Feld.
Das durchaus ungünstige Urtheil über, das Ihnen bekannte, Potpourri3 befremdet mich um so mehr, als ich in München, wohin ich einige Zeit reißte, von Herrn General-Director Lachner, den ich um sein Urtheil ersuchte, ein überraschend gutes Urtheil erhielt, welche Ueberzeugung Herr Lachner auch ganz ehrenvoll gegen Herrn Hofsänger Dietz zu München aussprach, –
Ich kann v. Herrn Strauß nicht verlangen, daß ihm meine Arbeiten gefallen, aber wenn „Sie“ durch wohlwollende Empfehlung meiner Fähigkeiten in edelmüthiger Weiße zum Fortschritte behülflich zu sein streben, so halte ich es von Herrn Hofkapellmeister zu Karlsruhe für unbescheiden und für etwas malitiös, mir in so schroffer Weiße den Weg zu verlegen. Uebrigens will ich einen anderen Weg einschlagen als den, so Herr Strauß vermuthet. Ich werde dem Herrn Strauß nicht mehr beschwerlich fallen und weder ein nochmaliges Stipendium noch sonst einen Erfolg „in Karlsruhe“ zu erreichen streben, da Herr Strauß sonst in ewigen Sorgen lebt, „ich“ möchte mich unter seinen Augen blamiren und compormittiren. Für mich steht – Gott sei Dank! – die ganze Welt frei! –
Dies ist die Thatsache und meine Ansicht in strenger Wahrheit. Indem ich Sie noch bitte, mich bei der Frau Spohr gefälligst entschuldigen zu wollen, weil ich von ihr nicht Abschied nahm, (Ich sah sie nirgends als ich v. Ihnen Abschied nahm, und durch einen nochmaligen Besuch befürchtete ich, lästig zu werden), so wie zu entschuldigen, daß ich Ihnen dies Schreiben durch Herrn Schmelz, dem ich einiges Nothwendige zu schreiben hatte, zusende, grüße ich Sie und Ihre Frau recht herzlich und bin Ihnen ergeben und treu, wie es sich für einen braven und „dankbaren“ Schüler von selbst versteht.
Mit Hochachtung und Verehrung
F. Keppner.
Autor(en): | Keppner, Franz Joseph (Sohn) |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Devrient, Eduard Diez, Ernst Friedrich Lachner, Franz Ludwig II. Baden, Großherzog Schmelz, Heinrich Spohr, Marianne Strauß, Joseph |
Erwähnte Kompositionen: | Keppner, Franz Joseph : Potpourri „Natur und Liebe“ |
Erwähnte Orte: | Karlsruhe |
Erwähnte Institutionen: | Hofkapelle <Karlsruhe> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854052446 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Keppner an Spohr, 04.04.1854. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
[1] Ludwig II. war seit dem 24.04.1852 Großherzog von Baden.
[2] Dieses Zeugnis ist derzeit verschollen.
[3] Vermutlich Keppners Potpourri Natur und Liebe, dessen Manuskript sich in Spohrs Nachlass befand (vgl. Verzeichniss der hinterlassenen musikalischen Bibliothek von Louis Spohr, Kassel 1860, S. 18).
Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (21.10.2019).