Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), Sign. 21070 C.F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 253f.

Cassel den 26sten April
1854.

Hochgeehrter Herr,

Für das mir gütigst überschickte neue Arrangement meines Notturno sage ich den besten Dank.
Da das Septett nach seiner Rückkehr von Leipzig nun wieder in einer bey mir, für die zahlreichen Fremden, die die Aufführung von „Paulus“ und „Faust“ zu Ostern hieher gelokt hatte, veranstalteten Musikparthie eine abermalige Aufführung erlebt hat, so brauche ich es vor der Hand nun nicht weiter, und sende es Ihnen daher, Ihrem Wunsche gemäß, damit Sie es um so früher dem Herrn Czerny zu dem beabsichtigten Arrangement übergeben können. Eine 4 händige Bearbeitung für Piano wird bey diesem Werke, dessen Hauptparthie ein obligates Piano ist, eine schwierige Aufgabe seyn, und ich freue mich daher, daß sie einem so gewandten Arrangeur, wie Herr Czerny ist, zufallen wird. Ich wünschte demohngeachtet das Arrangement, bevor es zum Stich gegeben wird, einmal vorher zu sehen und zu hören, und bitte daher, daß Sie es mir, seiner Zeit, auf einige Tage zusenden wollen. Bey der Herausgabe des Originals wird wohl eine abgesonderte Clavierstimme gestochen werden müssen, weil das ofte Umblättern in der Partitur doch für den Spieler gar zu störend ist. – Nun habe ich noch die Besorgniß auszusprechen, daß das Werk bey der Versendung nach Wien nicht etwa verloren gehe oder beschädigt werde, da ich es, weil weiter keine Abschrift existirt, nicht wieder aufzuschreiben vermögte.
Da mir vor Ostern einmal wieder die Lust ankam etwas Neues zu schreiben, so erinnerte ich mich Ihres Wunsches und machte mich an ein Violinduett. Es ist ohnlängst fertig geworden, und bereits von mir und meinem frühern Schüler, dem Concertmeister J. Bott, in einer Musikparthie vorgetragen worden. Wie mir scheint, ist es mir gelungen, es leichter spielbar zu machen, als die meisten meiner früher[en] Duette waren. Da es aber in der Form von jenen in so fern abweicht, als es, wie die Quartetten, 4 ausgeführte Sätze hat, so wird es wohl am passendsten seyn, es einzeln herauszugeben, wie dieß auch mit meinen letzten Quartetten geschehen ist. Doch werde ich mich im Laufe des Sommers nochmals an einem solchen versuchen.
Die erste hiesige Aufführung des „Faust“ in der neuen Bearbeitung am ersten Ostertage erregte bey unserm, sonst so kalten, Publikum einen wahren Beyfallsturm, und ein Gleiches wiederholte sich am vorigen Sonntag bey der ersten Wiederholung.1 Ich hoffe nun, nachdem sich die viel größere Wirkung der Oper in der neuen Gestalt in den Aufführungen zu Weimar, Darmstadt, München und hier hinlänglich erprobt hat, sie bald wieder auf allen deutschen Theatern verjüngt erstehen zu sehen!
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebener
Louis Spohr2



Dieser Brief ist die Antwort auf Böhme an Spohr, 29.03.1854. Böhme beantwortete diesen Brief am 29.04.1854.

[1] Vgl. „Cassel“, in: Neue Berliner Musikzeitung 8 (1854), S. 165.

[2] Auf der letzten Seite des Briefes befindet sich von anderer Hand der Eingangsvermerk des Verlags: „Cassel d. 26 April. 1854. / Louis Spohr. / empf. 28 do / beant. 29. do“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (24.03.2017).