Autograf: Staatsarchiv Sigmaringen, Sign. N 1/72 T 1 Nr. 77 [Permalink] [direkt zum Digitalisat]

Sr. Wohlgeb.
Herrn Hofkapellmeister
Th. Täglichsbeck
in
Löwenberg in
Schlesien

Cassel den 11ten Febr.
1854.

Geehrter Freund,

Recht sehr habe ich mich gefreuet, einmal wieder eine Zuschrift von Ihnen zu erhalten, die mich von Ihrem und der Ihrigen Wohlbefinden unterrichtet. Ich wußte in det That nicht einmal Ihren jetzigen Wohnort, als mir einige Tage vor Ankunft Ihres lieben Schreibens ein Blatt der Wiener musik. Zeitung zu Gesicht kam, in welchem Ihres neuen Wirkungskreises in Löwenberg mit großem Entzücken Erwähnung geschieht.1 Ich ersehe aus diesem Bericht, daß Sie dort wenigstens ein sehr empfängliches und dankbares Auditorium haben, was man in großen Städten nicht immer findet, da die Leute dort mit Musik übersättigt werden. Und dann freut es mich, daß Sie wieder mit Ihrem liebenswürdigen Fürsten vereinigt sind, der ein so empfängliches Gemüth für wahre Kunstschönheit besitzt. Auch sind Sie in so fern zu beneiden, daß Sie den ganzen Sommer zu Ausflügen frei haben, während ich armer Sclave, mit Ausnahme von 6 Wochen Ferienzeit, das ganze Jahr in Cassel eingesperrt bin. Daß Sie die Sommerzeit auch gern zu künstlerischer Thätigkeit benutzen mögten, begreife ich, und es könnte dazu vieleicht schon in der bevorstehenden London´ner Saison Rath werden. Da ich 2 Jahr hintereinander dort war, so lehnte ich eine Anfrage, die mir im vorigen Frühjahr wegen Wiederkommens in diesem Jahr gemacht wurde, sogleich entschieden ab. So viel ich weiß, wird auch Lindpaintner, der im vorigen Jahr die ersten Concerte der philharmonischen Gesellschaft dirigirte, nicht wieder hingehen; so kann es leicht seyn, daß die Gesellschaft für dieses Jahr noch keinen Dirigenten für ihre Concerte engagirt hat. Ich rathe daher, daß Sie deshalb sogleich bey Herrn Dr. Wylde, (18 Hannover Street, Hannover Square) der der musikalische Geschäftsführer der neuen Philh. Gesellschaft ist, brieflich anfragen. Er versteht so viel Deutsch, daß Sie ihm in unserer Sprache schreiben können. Gern würde ich dieß selbst thun; es geht aber nicht, weil ich mit ihm hart an einander gerathen bin, weil ich in Folge seiner Unordnung meine Musikalien nicht wieder erhalten konnte.
Es hindert dieß aber nicht, daß Sie ihm schreiben können, daß ich Sie aufgefordert habe, sich an ihn zu wenden, und daß Sie sich in jeder Beziehung auf mich berufen. -
Meine Frau erwiedert die Grüße Ihrer Frau Gemahlin auf das herzlichste. Mit wahrer Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Täglichsbeck, Thomas
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Constantin Hohenzollern-Hechingen, Fürst
Lindpaintner, Peter von
Wylde, Henry
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: New Philharmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1854021113

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Täglichsbeck an Spohr, 05.02.1854. Täglichsbeck beantwortete diesen Brief am 06.05.1854.

[1] L.J.Z., „Die fürstlich Hohenzollern-Hechingische Hofkapelle in Löwenberg”, in: Neue Wiener Musikzeitung 2 (1853), S. 213. - Der Artikel erwähnt auch den Grund für den Umzug der Hechinger Hofkapelle nach Löwenberg: 1849 legte Konstantin von Hohenzollern-Hechingen die Regierungsgeschäfte nieder, worauf Preußen 1850 das Staatsgebiet annektierte; der Fürst zog sich auf seine Ländereien nach Löwenberg zurück, wohin er schließlich auch seine Hofkapelle nachholte (vgl. Gregor Richter, „Thomas Täglichsbeck 1799-1867. Violinvirtuose, Komponist und Hofkapellmeister zu Hechingen in Hohenzollern und zu Löwenberg in Schlesien”, in: Weit in die Welt hinaus ... Historische Beziehungen zwischen Südwestdeutschland und Schlesien, hrsg. v. Annemarie Röder und Karl-Peter Krauss, o.O. 1998, S. 41-47, hier S. 44f.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.05.2016).